Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Sicherungsnetz durcheinanderzubringen. In den letzten Monaten etwa einmal pro Woche. Die Mechaniker sagen: Wenn die Alarmanlage zu lange an das elektronische Netz angeschlossen bleibt, dann fängt das gesamte Memory-System an, verrückt zu spielen. Und die Anlage verliert schlagartig ihr Gedächtnis, verstehen Sie. Sie kann sich dann nur noch an die letzten gespeicherten Daten erinnern.«
    »Tut mir leid, Mister Colby, da komme ich nicht mit. Was heißt das im Klartext?«
    »Nun ja, dies bedeutet, daß die Türen im achten und im elften Stock wahrscheinlich ganz weit offen stehen! Und wenn da oben jemand nicht genau aufpaßt, wo er hintritt, dann stürzt er womöglich in den dunklen, tiefen Fahrstuhlschacht. Aber machen Sie sich keine Sorgen, bis jetzt ist ja noch nichts passiert. Wir hätten es auch bestimmt gemerkt, wenn wir plötzlich Besuch von oben bekommen hätten.«
    »Na, Sie haben wirklich Nerven! Ein makabrer Humor, das muß ich schon sagen!«
    »Und? Haben Sie vielleicht einen besseren Vorschlag?«
    »Nein. Leider nicht. Aber wenn das so ist mit dieser verdammten Alarmanlage — warum blockieren Sie sie dann trotzdem?«
    »Das Risiko müssen wir eingehen. Oder ziehen Sie es etwa vor, das Wochenende hier mit mir zu verbringen?«
    »Bloß nicht!«
    »Na also — übrigens vielen Dank, Sie sind sehr liebenswürdig—, und deswegen blockiere ich den Knopf. Alles hängt jetzt allerdings davon ab, wie gut unserem Hausmeister heute abend das Bier schmeckt. Nach meiner bisherigen Erfahrung rechne ich mit etwa drei Bieren in einer halben Stunde. Dann werden wir uns also spätestens gegen 19 Uhr voneinander verabschieden können. Sollte sich der gute Mann aber vielleicht noch ein viertes Bierchen genehmigen, dann können wir beide — ich meine die Elektronik und ich — für nichts mehr garantieren! Dann werden wir, lieber Mister Osborn, uns wirklich ein wenig länger vertragen müssen und uns hier ein gemütliches Lager für die Nacht einrichten.«
    »Sie finden sich wohl sehr witzig, was? Aber nicht mit mir! Es muß doch noch eine andere, ganz vernünftige Lösung geben!«
    »Leider nicht. Es ist Freitagabend, und der Hausmeister hat seinen Wochenenddurst.«
    Gegen 19 Uhr 30 zuckt der Fahrstuhl noch einmal ganz leicht, dann erlischt auch noch das Licht. Es ist jetzt stockdunkel in der Kabine und totenstill. Eine unbequeme, schicksalhafte Nacht wartet auf unsere beiden »Gefangenen«, aber es wird auch eine sehr interessante, aufschlußreiche Nacht für diese beiden Männer, die einander ganz fremd sind und noch nicht wissen, wieviel sie in Wirklichkeit verbindet.
    Mike Osborn löst den Knoten seiner Krawatte und wühlt in seinen Taschen. Er fingert einen Kugelschreiber mit Lämpchen heraus — eines von jenen lächerlichen Werbegeschenken. Erst jetzt begreift er, wozu solche Erfindungen gut sind! Alister Colby steckt sich eine Pfeife an. Genug Luft kommt ja durch die Luke in der Decke. Beide Männer sitzen nun am Boden. Schlafen können sie ohnehin nicht, also reden sie miteinander: zuerst übers Geschäft, dann über Politik, über Gott und die Welt halt. Als aber weder Gott noch die Welt mehr Gesprächsthemen bieten, reden sie über Privates. »Wartet jemand auf Sie? Sind Sie verheiratet?« will Colby wissen.
    »Verheiratet? Nein, noch nicht, aber wahrscheinlich bald.«
    »Komisch!« sinniert Colby.
    »Warum komisch!«
    »Weil, nun, weil ich bisher immer absolut gegen die Ehe war. Aber dann habe ich doch noch eine Frau kennengelernt, na ja, und jetzt bin auch ich nicht mehr dagegen. Ihre Freundin ist bestimmt hübsch, ja?«
    »O ja!« schwärmt Osborn, »wunderschönes braunes Haar!«
    »Meine auch. Aber nicht nur braun. Manchmal glänzen ihre Haare wie Gold! Lauter wilde kleine Locken! Und erst die Augen! Ihre großen Augen, wie auf ägyptischen Wandmalereien.«
    »So? Ägyptisch sagen Sie? Daran habe ich noch nicht gedacht, aber Sie haben recht, auch Carole hat solche Nofretete-Augen!«
    »Carole? Ihre Freundin heißt Carole? Also, es gibt wirklich Zufälle im Leben! Meine heißt nämlich auch Carole! Und was macht sie so, Ihre Carole?«
    »Viel zu viel meiner Meinung nach! Hoffentlich entscheidet sie sich bald mal zwischen der Musik, dem Theater und ihrer Doktorarbeit in Geschichte!«
    »Sagen Sie, Mister Osborn«, fragt Colby jetzt mißtrauisch, »wie heißt sie mit Familiennamen?«
    »Mac Grab«, gibt dieser arglos zur Antwort.
    »Das darf doch nicht wahr sein! Das gibt’s doch nicht!« poltert Colby

Weitere Kostenlose Bücher