Der Mann, der niemals lebte
was du irgendwann einmal gehört zu haben glaubst. Wenn ich mir das gefallen ließe, hättest du mich doch völlig in der Hand. Außerdem bin ich nicht hier, um dich um einen Gefallen zu bitten. Ich bin hier, um dir etwas zu sagen.«
»Und was möchtest du mir sagen, du harter Bursche?« In ihrer Stimme schwang Spott, aber auch eine gewisse Verunsicherung mit.
»Wenn du deine Anschuldigung nicht unverzüglich zurückziehst, muss ich etwas unternehmen, um mich selbst zu schützen.«
Sie lachte abermals, aber es klang noch weniger überzeugend als beim ersten Mal. »Und was soll das sein? Willst du mir etwa einen deiner traurigen CIA-Agenten auf den Hals hetzen? Da werde ich ja gleich ganz starr vor Angst.«
»Ich werde mich schützen, indem ich die Wahrheit sage. Ich werde verkünden, dass ich mich von dir scheiden lassen wollte und du daraufhin in einen Eifersuchtswahn verfallen bist und dir falsche Vorwürfe gegen mich aus den Fingern gesogen hast. Und dann werde ich ihnen – und damit meine ich deine Arbeitgeber ebenso wie meine – zeigen, was für eine unzuverlässige und wenig vertrauenswürdige Person du in Wahrheit bist.«
Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Jetzt hast du komplett den Verstand verloren, Roger. Ich kenne diese Leute. Ich bin Teil ihrer Welt, und ich weiß genau, dass sie nicht einfach einem dahergelaufenen CIA-Agenten glauben werden. Sie hassen solche Typen. Das kannst du also vergessen. Und außerdem habe ich Freunde im Weißen Haus.«
»Sie sollen mir ja auch gar nicht glauben. Ich habe handfeste Beweise für das, was ich sage. Aufzeichnungen. Briefe. Bilder. Dokumente. Ich kann dich fertigmachen.«
Diese offene Drohung schien Christina eher wütend zu machen als einzuschüchtern und ließ eine tiefe Verachtung für Ferris hervorbrechen, die vermutlich schon lange in ihr geschlummert hatte. »Zu so was fehlt dir doch der Schneid, Roger. Dazu bist du viel zu weich. Ich kenne dich. Du bist kein Killer.«
»Dann lass es eben darauf ankommen. Und glaube nur nicht, dass ich mich nicht wehren kann, bloß weil ich mich jahrelang mit deinen Wutanfällen und deiner Sexgier abgefunden habe. Hier geht es um etwas anderes: Jetzt kämpfe ich um mein Leben. Wenn du nicht nachgibst, werde ich dich vernichten. Das meine ich ganz ernst. Also nimm dich in Acht!«
Damit drehte er sich um und verließ die Wohnung. Christina rief ihm hinterher, fing dann aber an zu fluchen und ihn mit den wüstesten Obszönitäten zu beschimpfen. Draußen im Gang gingen Türen auf, Nachbarn steckten neugierig ihre Köpfe nach draußen. Mehr erreichte Christina nicht mehr. Die Aufzugstüren hatten sich bereits geschlossen, und Ferris war auf dem Weg nach unten.
Ferris fuhr zu seiner Mutter, in deren Haus in den Bergen er während seiner Auslandseinsätze seine privaten Unterlagen aufbewahrte. Seine Mutter spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war, und versuchte, ihn zum Reden zu bringen, doch er ließ sie nicht an sich heran. Kurz nach seiner Ankunft verbarrikadierte er sich in seinem alten Zimmer, kramte seine Ordner hervor und begann, das Material zu sichten: Papiere, alte E-Mails, die er noch auf Disketten gespeichert hatte, handgeschriebene Briefe. Einen ganzen Tag lang ging er sein Leben mit Christina noch einmal durch und suchte nach Aufzeichnungen, die ihm etwas gegen sie in die Hand gaben. Zunächst traf er eine engere Auswahl, die er dann noch einmal Stück für Stück durchging.
Christina hatte während ihres Studiums mit den Ausbildungskrediten getrickst, was sich jetzt möglicherweise gegen sie verwenden ließ. Ferris hatte mehrere E-Mails, aus denen dieser Sachverhalt hervorging. Außerdem hatte sie während des Jurastudiums bei einem Studentenjob weitaus mehr Stunden aufgeschrieben und in Rechnung gestellt, als sie tatsächlich gearbeitet hatte. Auch damit hatte sie in einer Mail an ihn geprahlt. Sie hatte die ganze Zeit viel zu sehr auf Ferris’ Anständigkeit vertraut, und genau das wurde ihr nun zum Problem. So wusste er beispielsweise, dass sie bei den Einstellungsgesprächen mit dem Justizministerium ihren Drogenkonsum verschwiegen und darauf vertraut hatte, dass auch Ferris darüber Stillschweigen bewahren würde. In einer langen Mail, die das FBI jetzt mit Sicherheit interessieren würde, hatte sie ihm das Problem ausführlich geschildert.
Und schließlich war da noch die Steuergeschichte. In dem Jahr, bevor sie geheiratet hatten und beide noch getrennt veranlagt worden waren,
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