Der Mann, der niemals lebte
dem Häftling Sa-mir Na-kib mit einem Kricketschläger gedroht und ihn anschließend mit diesem Schläger auf den Kopf geschlagen haben?«
»Alles geheim.«
»Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt versucht, die Mitglieder des jemenitischen Muk-ha-ba-rat von dieser Tat abzuhalten, wie es die Einsatzvorschrift Nummer 12333 sowie weitere CIA-interne Regelungen verlangen?«
»Geheim. Alles geheim.«
Aus Callums Augen sprühte Ferris blanker Hass entgegen. Für sie war er offensichtlich einer von den bösen Buben in der CIA, einer von den Männern, die ihr alle Beförderungen weggeschnappt und ihr jede Aufstiegsmöglichkeit vermasselt hatten, die mit ihrem risikofreudigen Verhalten allen anderen nichts als Ärger machten und ständig irgendwelches Porzellan zerschlugen, dessen Scherben andere dann wegräumen muss- ten.
»Mr. Ferris, ich kann Ihre Gründe für die Verweigerung der Aussage nicht anerkennen. Ich bin voll und ganz berechtigt, diese Informationen von Ihnen zu erhalten, und wenn Sie das anzweifeln, beleidigen Sie mich und die gesamte Generalinspektion und verschleppen damit die Ermittlungen gegen Sie. Nicht genug damit, dass Sie vermutlich gegen das amerikanische Strafrecht verstoßen haben – Sie legen hier auch noch eine Arroganz an den Tag, die Sie mit Sicherheit bereuen werden. Dafür werde ich sorgen, verlassen Sie sich drauf.«
Ferris erwiderte ihren Blick und lächelte zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte. Er hatte es geschafft, ihr Anwältinnen-Selbstvertrauen empfindlich zu erschüttern, das war doch immerhin etwas. »Wenden Sie sich an Ed Hoffman, und lassen Sie sich von ihm eine schriftliche Genehmigung geben«, sagte er. »Sobald Sie mir die vorlegen, werde ich Ihnen Ihre Fragen beantworten. Vielleicht.«
Kurz darauf wurde die Besprechung vertagt, weil sie auf diese Weise keinen Schritt weiterkamen und Croge sich offenbar Sorgen machte, dass Ferris möglicherweise doch im Recht war, wenn er ohne Genehmigung seines Vorgesetzten nicht über seine Kontakte zu fremden Geheimdiensten redete. Immerhin handelte es sich dabei um eines der bestgehüteten Geheimnisse der CIA. Sie gaben Ferris eine vorläufige Magnetkarte und ließen ihn gehen. Kaum hatte er die CIA-Zentrale verlassen, rief er Hoffman an und bat ihn, sich in der Starbucks-Filiale im McLean Shopping Center mit ihm zu treffen.
Washington
Das Starbucks war am späten Vormittag leer bis auf eine Studentin mit wilder Lockenmähne, die auf einem PowerBook herumtippte und Musik von ihrem iPod hörte. Ferris hockte in einer dunklen Ecke und vertilgte einen riesigen Bananen-Nuss-Muffin in der Hoffnung, dass die vielen Kalorien irgendwie seine Stimmung heben würden. Hoffman holte sich an der Theke einen Mandel-Frapuccino und schlürfte ihn, nachdem er sich neben Ferris gesetzt hatte, genussvoll durch einen dicken Strohhalm.
»Wenigstens wissen wir jetzt, wer hinter dieser ganzen Geschichte steckt«, sagte Ferris. »Christina, meine Frau. Ich habe ihr mal von einem Verhör in Sanaa erzählt, bei dem der jemenitische Geheimdienstoffizier einen al-Qaida-Gefangenen so lange verprügelt hat, bis er tot war. Ich habe damals zugesehen und nichts unternommen, und jetzt kramt meine Frau diese Sache hervor, weil ich mich von ihr scheiden lassen will. Ob Sie’s glauben oder nicht, das ist der Grund.«
»Ich bin schwer beeindruckt«, sagte Hoffman und stellte seinen Kaffee beiseite. »Die Frau muss Sie ja wirklich lieben. Aber das ändert leider nichts daran, dass Sie ganz schön tief in der Scheiße stecken.«
»Glauben Sie denn, dass die diesen Unsinn für bare Münze nehmen?«
»Leider ja. Mein Spitzel bei der Generalinspektion hat mir gesagt, dass der Informant – also vermutlich Ihre reizende Ehefrau – offenbar über einigen politischen Einfluss verfügt. Es ist von Freunden in hohen Positionen die Rede, vielleicht sogar im Weißen Haus. Der Generalinspektion blieb also gar nichts anderes übrig, als den Anschuldigungen nachzugehen. Mein Spion sagt allerdings auch, dass sie solche Geschichten nicht an die große Glocke hängen können, denn wenn die jeden, der mal bei einem brutalen Verhör mit dabei war, aus dem Verkehr ziehen wollten, hätten wir bald keine Agenten mehr. In Ihrem Fall bleibt ihnen allerdings keine andere Wahl, außer der Informant zieht seine Anschuldigungen wieder zurück. Ach, übrigens, ich habe mit Mark Sheehan gesprochen, meinem Anwalt. Er hat die Genehmigung für sämtliche Geheimhaltungsstufen,
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