Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
Vom Netzwerk:
hätte Christina eigentlich sehr viel Steuern nachzahlen müssen. In ihrem Bestreben, so viel wie möglich abzusetzen, hatte sie sämtliche privaten Restaurantbesuche mit Ferris als Geschäftsessen angegeben. Auch von einem privaten Erholungsurlaub, den sie sich an Weihnachten auf den Jungferninseln gegönnt hatten und der in ihrer Steuererklärung als Arbeitsreise aufgetaucht war, hatte Ferris Kopien sämtlicher Hotel- und Restaurantquittungen aufgehoben. Christina hatte sich gründlich in ihm getäuscht. Er hatte sich von Anfang an abgesichert.
     
    Ferris’ Mutter sah, dass er beschäftigt war, und störte ihn nicht beim Stöbern in seinen alten Unterlagen. Erst als er weit nach Mitternacht mit der Arbeit fertig war, holte sie ihn nach unten in die Küche und machte ihm eine Tasse Tee. Es war Anfang Dezember, die Bäume im Shenandoah-Tal waren kahl, und ein Wintersturm rüttelte an den Fensterläden des alten Hauses.
    »Neulich war ein Mann vom FBI hier«, sagte Ferris’ Mutter. »Zumindest hat er gesagt, er käme vom FBI, und mir eine Dienstmarke gezeigt.«
    »Tatsächlich? Was wollte er denn?«
    »Er sagte, er müsse deine Sicherheitsbescheinigung aktualisieren, und hat mich gefragt, ob ich irgendwelche alten Unterlagen über die Familie deines Vaters hätte. Aufzeichnungen, Briefe, solche Sachen.«
    »Tatsächlich? Das ist aber wirklich seltsam. Und hast du ihm was gezeigt?«
    »Nur ein paar alte Ordner, die er sich eine Stunde lang angesehen hat. Das haben sie ja schon getan, als du bei der CIA angefangen hast, und mit deinem Vater haben sie es auch so gemacht, unzählige Male. Deshalb habe ich mir nicht viel dabei gedacht.«
    »Hat er denn etwas gefunden, was ihm nicht gefallen hat?«
    »Nein. Er wirkte ganz zufrieden, als er wieder ging, und sagte, es sei alles in Ordnung, und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Die Sicherheitsprüfung sei gut verlaufen.«
    Ferris zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte Hoffman den Agenten geschickt, als er bei Mincemeat Park angefangen hatte. Es spielte ja auch keine Rolle. Ferris hatte nichts zu verbergen. Und im Augenblick gab es wahrhaftig wichtigere Dinge, um die er sich Gedanken machen musste. Er sagte seiner Mutter gute Nacht und legte sich für ein paar Stunden aufs Ohr, bevor er zurück in die Stadt fuhr.
     
    Ferris machte sich von den Belegen und E-Mails jeweils zwei Kopien. Eine davon hinterlegte er bei seinem Anwalt, die andere hatte er bei sich, als er wieder zu Christinas Wohnung fuhr. Schon als sie öffnete, bemerkte er ihr mitgenommenes Gesicht und die dunklen Ringe unter den Augen. Offenbar hatte sie seit ihrer letzten Begegnung nicht viel geschlafen. Christina wusste genau, dass er einiges gegen sie in der Hand hatte, sie hatte sich nur nicht vorstellen können, dass er es jemals gegen sie verwenden würde.
    Ferris breitete sein Material auf dem Boden aus und erklärte Christina ganz genau, was für Informationen die einzelnen Blätter enthielten. Ihre Reaktionen ließen keinen Zweifel daran, dass sie nichts von alledem vergessen hatte. Schließlich sagte er ihr noch, dass er Kopien dieser Unterlagen bei seinem Anwalt hinterlegt hatte mit dem Auftrag, sie am nächsten Tag um zehn Uhr vormittags dem Disziplinarausschuss im Justizministerium zu übergeben, falls er bis dahin nichts von ihm hörte. Eigentlich hatte Ferris erwartet, dass Christina ihn scharf angreifen würde, wenn er sie mit seinem Material konfrontierte, ihn der Lüge oder des Verrats bezichtigen oder ihm Vorwürfe machen würde, weil er das belastende Material all die Jahre aufgehoben hatte. Er hatte sogar damit gerechnet, dass sie in Tränen ausbrach. Doch nichts von alledem geschah. Christina hörte sich alles schweigend an und schüttelte dabei nur hin und wieder den Kopf. Erst als er fertig war, sah sie ihn an.
    »Ich habe dich wirklich geliebt«, sagte sie. »Aber jetzt, nach allem, was du getan hast, liebe ich dich nicht mehr. Lass mich allein. Ich muss nachdenken.« Sie ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Ferris nahm seine Papiere und verließ die Wohnung.
    Am nächsten Morgen ging in der Generalinspektion der CIA der Anruf eines Anwalts ein, der im Auftrag von Christina Ferris erklärte, seine Mandantin habe entlastende Informationen bezüglich ihres Mannes gefunden und sei nun nicht mehr gewillt, gegen ihn auszusagen. Sie ziehe hiermit ihre Anschuldigung zurück, dass Mr. Roger Ferris in seiner Funktion als CIA- Agent irgendwelche Gesetze oder Vorschriften

Weitere Kostenlose Bücher