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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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er. Natürlich nicht alles, nicht einmal ein vollständiges Stück des ganzen Kuchens, aber doch immerhin ein Appetithäppchen. Er erzählte ihr, dass er nach Hause zurückmusste, um sich einer disziplinarischen Ermittlung zu stellen. Seine Frau habe ihm mit Rache gedroht, als er sie um die Scheidung bat, und dann hätte sie diese Drohung wahr gemacht, indem sie ein paar verfängliche Details aus seiner früheren Anstellung beim amerikanischen Konsulat im Jemen ausgegraben hatte. Er habe sie schließlich zwingen müssen, die Vorwürfe fallen zu lassen und keinen Ärger mehr zu machen. Erst danach habe sie in die Scheidung eingewilligt.
    »Und was hattest du gegen sie in der Hand?«, fragte Alice.
    »Schmutzige Wäsche von früher, aber das spielt keine Rolle.
    Es ging hauptsächlich um Geld. Immerhin ist es mir damit gelungen, das Verfahren von mir abzuwenden.«
    »Aber wie?« Sie wollte es unbedingt genauer wissen.
    »Indem ich sie davon überzeugt habe, dass es unklug wäre, auf ihrem Standpunkt zu beharren.«
    »Das klingt ja wie Erpressung.«
    »So was in der Art. Sagen wir einfach, dass meine Frau … meine Exfrau … sich in einigen Punkten angreifbar gemacht hat. Ihr war klar, was ich alles wusste, aber ich glaube, sie hat mir nicht zugetraut, dass ich davon Gebrauch mache. Sie hielt mich wohl für zu rücksichtsvoll.«
    »Dann hast du sie also tatsächlich erpresst. Das ist ein bisschen unheimlich, findest du nicht?«
    »Sie hat mir keine andere Wahl gelassen. Und dir braucht das gar nicht unheimlich zu sein. Du bist doch so rein und weiß wie der Schnee am Nordpol.«
    Alice schenkte Wein nach. Auf der CD sang der Chor gerade »The Twelve Days of Christmas«.
    »Und wo bist du nach Washington gewesen? Doch wohl nicht am Nordpol, oder?«
    »In der Türkei«, antwortete Ferris.
    »Mein Gott, ich hoffe, du warst während dieses schrecklichen Bombenanschlags nicht mehr dort. Sie sagen immer noch nicht, wie viele Amerikaner nun tatsächlich getötet wurden. Es müssen ziemlich viele sein, vermutlich versuchen sie deshalb, es zu vertuschen.«
    Ferris zuckte zusammen. Er hatte es sogar geschafft, seine Freundin hinters Licht zu führen. Wenn das kein Beweis für den Erfolg seiner Aktion war!
    »Ich war in Ankara. Die Bombe ist auf einem Luftwaffen-Stützpunkt im Süden hochgegangen, ich war also nicht einmal in der Nähe. Ich habe meine Termine erledigt – und dann bin ich nach Hause gekommen. Zu meiner Liebsten.«
    Er trank einen weiteren Schluck Wein, doch irgendwie hinterließ der plötzlich einen schlechten Geschmack auf der Zunge. »Und was ist mit dir? Wie ist es hier in Amman gelaufen, während ich weg war? Ist bei der Arbeit alles in Ordnung?«
    »Absolut. Die Palästinenserkinder haben jetzt Winterferien –‹Weihnachtsferien› dürfen sie ja nicht sagen. Ein paar von ihnen haben uns vorher noch im Büro besucht und sich verabschiedet. Und wir haben neue Fördermittel von der Malcolm Kerr Foundation bekommen, mit denen wir endlich ein paar Schulcomputer anschaffen können. Die netten Leute von Cisco Systems haben uns versprochen, in allen Schulen Breitbandverbindungen einzurichten. Das ist wirklich toll von ihnen, auch wenn sie es vermutlich bloß getan haben, um es noch in ihren Jahresbericht reinschreiben zu können. Nur eines macht mich ein wenig traurig: Uns sind ein paar unserer freiwilligen Helfer hier in Jordanien abgesprungen.«
    »Ach ja? Wer denn?« Ferris’ Körper reagierte, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
    »Diese Gruppe, die du sowieso nicht mochtest, die Ikhwan Ihsan. Der nette Architekt, von dem ich dir erzählt habe, kam gestern vorbei, um uns einen Scheck zu bringen. Er hat gesagt, das sei ihre letzte Spende. Und heute hatten wir dann Besuch vom Mukhabarat. Der Mann hat gesagt, es täte ihm sehr leid, aber wir dürften zu den Brüdern keinen Kontakt mehr halten. Offenbar gibt es neue Regeln für solche Muslimgruppen. Das ist natürlich schlecht für uns. Wir hätten das Geld nach wie vor gut gebrauchen können.«
    »Du redest mit dem Mukhabarat?«
    »Natürlich, Dummerchen. Wir sind schließlich in Jordanien, hier redet alle Welt mit dem Mukhabarat.«
    Ferris empfand eine geradezu absurde Erleichterung. Es wäre ihm zwar lieber gewesen, wenn die Jordanier nicht ganz so offensichtlich gegen Sadikis Freunde vorgegangen wären, aber er war doch froh, dass Alice keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. Wenn jemand herausfand, dass Alice sowohl Sadiki als auch Ferris kannte, würde er

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