Der Mann, der niemals lebte
Passfotos.
Ferris sah sich das Foto eingehend an und gab sich Mühe, dabei keine Miene zu verziehen. Genau davor hatte er sich die ganze Zeit gefürchtet: dass Hani auf Sadiki aufmerksam werden könnte. Hoffman hatte ihn angewiesen, in diesem Fall jegliche Verbindung zu dem Architekten abzustreiten.
»Wer ist das?«, fragte Ferris und betrachtete das Foto mit ausdruckslosem Blick.
»Er heißt Omar Sadiki und arbeitet als Architekt bei einer Firma hier in Amman, die in Saudi-Arabien schon mehrere Moscheen gebaut hat. Sie ist auch für gemeinnützige Stiftungen tätig, die in mehreren Ländern Koranschulen finanzieren. Sadiki selbst ist aktives Mitglied einer Moschee in Zarqa, die wir schon seit langem beobachten. Daher wissen wir auch eine ganze Menge über ihn.« Hani schwieg kurz und musterte seinen Gast, als wollte er sich über irgendetwas vergewissern.
Ferris blieb ruhig. Er spürte jeden einzelnen Atemzug und wartete darauf, dass Hani weitersprach. Doch der Jordanier ließ sich Zeit, wollte gefragt werden.
»Besteht irgendeine Verbindung zu Incirlik?«, fragte Ferris schließlich.
»Das vermuten wir. Die Beweise sind nicht zwingend, deuten aber in diese Richtung. Am Tag vor dem Anschlag ist er von Amman nach Ankara geflogen. Offiziell war es eine Geschäftsreise, aber wir haben mit den Türken gesprochen, und die sagen uns, dass er sich während seines Aufenthalts mit einem Mann getroffen hat, der früher als Mudschahedin in Afghanistan war. Unser lieber Omar war nur wenige Stunden in der Türkei, gerade lang genug für ein paar organisatorische Planungen, und danach ist er wieder heim nach Amman geflogen.«
Ferris schwieg und dachte einen Augenblick nach. Wenn er nicht aufpasste, waren die ganzen Mühen der letzten Monate möglicherweise umsonst. »Sehr gute Arbeit, Hani. Und was haben Sie jetzt mit ihm vor?«
Der Jordanier warf ihm einen eigenartigen Blick zu, nahm eine Zigarette aus der Schachtel auf seinem Schreibtisch und zündete sie an. Er hielt den Rauch einige Zeit in den Lungen, bevor er wieder ausatmete.
»Genau darüber wollte ich mit Ihnen reden, Roger. Wir möchten diesen Sadiki beobachten und herausfinden, mit wem er in Kontakt steht. Der Mann ist die beste Spur, die wir seit langem hatten. Im Augenblick habe ich also nicht vor, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, und hoffe, dass auch Sie nichts Ungewöhnliches unternehmen. Das wäre meines Erachtens ein großer Fehler.«
Ferris wandte sich von Hani ab und ging hinüber zum Sofa, um ihm nicht zu zeigen, wie erleichtert er war. Wenn die Jordanier Sadiki verhafteten, würde das katastrophale Folgen haben. Der Architekt würde verstört beteuern, dass er absolut nichts mit Incirlik zu tun habe, und nach ein paar quälenden Stunden würde es offensichtlich sein, dass er die Wahrheit sagte, und das ganze Spiel wäre vorbei. Ferris drehte sich wieder zu Hani um, der gelassen an seiner Zigarette zog.
»Ich denke, Sie haben ganz recht«, sagte er. »Lassen Sie ihn, wo er ist.«
Hanis Augen verengten sich zu Schlitzen. »Richtig. Beobachten und abwarten, das ist fast immer der richtige Weg.
Ich wusste, dass ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe. Aber Sie müssen mir versprechen, dass auch Sie sich von ihm fernhalten. Keine heimlichen Aktionen – das bekomme ich mit. Können Sie mir Ihr Wort darauf geben?«
»Aber natürlich. Wir rühren ihn nicht an. Und Sie auch nicht. Wir werden alle nur beobachten und abwarten. In Ordnung?«
Hani nickte und ließ ein dünnes Lächeln sehen. »Vielleicht rufen Sie auch Mr. Ed Hoffman an und informieren ihn. Diese Sache wird ihn doch bestimmt interessieren.«
»Das mache ich, sobald ich wieder in der Botschaft bin. Ed wird sicher hocherfreut sein. Das war hervorragende Arbeit, Hani. Niemand außer Ihnen hätte das so schnell herausgefunden. Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
Hani drückte seine Zigarette aus. Er schaute immer noch ein wenig eigenartig drein, aber vielleicht bildete sich Ferris das auch nur ein. »Wir sind doch Verbündete. Wie sollten wir einander da nicht helfen?«
Die beiden Männer gaben sich die Hand. Ferris fragte Hani, ob er bei der Überwachung von Sadiki vielleicht technische Unterstützung brauche, denn auf diesem Gebiet konnten die Amerikaner schließlich immer etwas beisteuern. Aber der Chef des jordanischen Geheimdienstes sagte, er habe alles, was er brauche, solange sich Sadiki nicht über die jordanischen Landesgrenzen bewege. Ferris fragte ihn noch, ob er
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