Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
Vom Netzwerk:
heftig auf dem Rücksitz des Landrover, während die Kugeln auf ihn einschlugen. Auch das gehörte zum Plan. Azzam musste sterben, damit man sich anhand der Unterlagen in Harry Meekers Aktentasche zusammenreimen konnte, was hier eigentlich passiert war. Harrys Körper zuckte nicht, und er blutete auch nicht, aber spätestens als sein Sitznachbar eine Kugel in den Hals bekam, hatte sich auch dieses Problem erledigt.
    Smite und die beiden Geländewagen schafften es unter schwerem Beschuss bis zur Hauptstraße. Die verborgenen Schützen zogen sich in die Berge zurück, wo ihre eigenen Fahrzeuge auf sie warteten. Beim Rückzug ließen sie ein weiteres hübsches Kriegssouvenir zurück: die Leiche eines Amerikaners, die erst vor ein paar Tagen von Afghanistan hergeflogen worden war. Die Männer aus dem Dorf würden sich besser fühlen, wenn man sie in dem Glauben ließ, sie hätten bei dem Schusswechsel auch einen gegnerischen Soldaten getötet. Außerdem senkte ein weiterer Toter die Wahrscheinlichkeit, dass später jemand dahinterkommen würde, das Feuergefecht sei bloß eine Inszenierung gewesen.
    Smites Geländewagen verließen mit laut aufheulenden Motoren das Dorf. Einige Stunden später näherten sich Kampfhubschrauber, mit dem offenkundigen Ziel, den toten Amerikaner mitsamt den vertraulichen Unterlagen, die er bei sich trug, aus dem Landrover zu bergen. Sie landeten auf dem Dorfplatz, Soldaten sicherten das Gebiet rund um den Landrover und verbrachten zwanzig Minuten damit, den Wagen zu durchsuchen. Doch Harry Meeker war zu diesem Zeitpunkt längst verschwunden. Der Tote war nebst Aktentasche von al-Qaida-Leuten in die Berge geschafft worden, genau wie Hoffman es prophezeit hatte. Bald würde ein Unterführer der Organisation den Alu-Aktenkoffer aufbrechen und versuchen, aus seinem Inhalt schlau zu werden. Und dann würden sie anfangen, sich Fragen zu stellen.
    Später am Tag vermeldeten die Nachrichtenagenturen, dass ein Konvoi der US-Streitkräfte in Pakistan in einen Hinterhalt geraten war und dabei ein amerikanischer Soldat getötet worden sei. Von einem zweiten Amerikaner in Zivil, der erschossen worden war, während er sich gerade mit einem örtlichen Stammesführer aus dem Dunstkreis der al-Qaida besprach, war dabei allerdings nicht die Rede. Aber diesen Umstand brauchte man auch gar nicht zu veröffentlichen, denn Azzams Treffen mit dem Amerikaner war noch am selben Abend Thema Nummer eins in sämtlichen Dörfern in der Grenzregion – und man redete ganz offen darüber, dass Azzam wohl für die CIA gearbeitet haben müsse. Es sah ganz so aus, als hätten sie den Köder geschluckt.
     
    Hoffman war sich sicher, dass der Plan aufgehen würde. Den abgehörten Handygesprächen und den Beiträgen in manchen Internet-Foren war zu entnehmen, dass Süleymans Männer verzweifelt versuchten, den Fund von Kosa zu deuten, auf der Hierarchieleiter aber zu weit unten standen, um den nötigen Durchblick zu haben. Übergeordnete al-Qaida-Leute würden beschließen müssen, was in diesem Fall zu tun war. Der ISI fing einen Kurier auf dem Weg nach Karatschi ab. Er trug eine Nachricht bei sich mit der dringenden Bitte, eine Zusammenkunft der Ulama einzuberufen, damit diese in einer äußerst ernsten Angelegenheit berieten, die möglicherweise sogar eine Entscheidung des khalifa höchstpersönlich erforderte. Und in den Abhörstationen der NSA waren plötzlich Stimmen zu hören, die sich seit Jahren nicht mehr zu Wort gemeldet hatten. Offenbar sahen sich die Mitglieder des Netzwerks gezwungen, ihre sonst üblichen Sicherheitsvorkehrungen zu durchbrechen. Was ihnen jetzt widerfuhr, war das Schlimmste, was ihnen passieren konnte.
    Selbst die beste Planung braucht ein wenig Glück – aber auch das war Hoffman und seinen Leuten in diesem Fall hold. Die Stimmenanalyse einer NSA-Fangschaltung auf ein Wiener Handy offenbarte große Ähnlichkeit mit der Stimme eines Mannes, der ganz oben auf der Fahndungsliste der CIA stand. Obwohl die Tonqualität durch ein Rauschen stark beeinträchtigt war, ergab eine sorgfältige Prüfung, dass es sich um Karim al-Shams handelte, den syrischen Kämpfer aus Hama, der unter dem Namen Süleyman operierte. Der Kopf des Netzwerks wagte sich aus seinem Versteck. Was er mit dem Anruf bezweckte, war schwer zu entschlüsseln, da er sich offenbar eines Geheimcodes bediente. Immerhin war in dem Telefonat vom Martyrium des Hussein die Rede, der von den Betrügereien neidischer Rivalen in den Tod getrieben

Weitere Kostenlose Bücher