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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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worden war, sodass Hoffmans Analytiker vermuteten, den Kern der Aussage verstanden zu haben: Süleyman glaubte, Opfer einer Verschwörung zu sein.
    Die österreichische Polizei, die von der NSA über die Koordinaten informiert worden war, auf die sich der Standort des Anrufers eingrenzen ließ, sperrte sofort das entsprechende Stadtviertel ab und stürmte ein halbes Dutzend Wohnhäuser. Kurz vor Morgengrauen fanden sie schließlich das Handy. Aber der Mann, der es verwendet hatte, war längst über alle Berge.
     
    Ferris wollte nach Amman zurück, um den Jahreswechsel mit Alice zu verbringen, aber Hoffman bat ihn, noch über Silvester zu bleiben und den Erfolg zu feiern. Weil alle Eingeweihten Mitarbeiter von Mincemeat Park waren, die sich außerhalb der geheimen Räumlichkeiten nicht einmal kennen durften, beschloss Hoffman, die Party im Büro abzuhalten. Er schmuggelte Alkohol und Essen hinein, ernannte ein paar Analysten zu Barkeepern und einen Agenten, der eigentlich immer schon davon geträumt hatte, ein Hip-Hop-Star zu werden, zum DJ. Ferris versuchte, sich dem Alkohol und der Musik hinzugeben. Er tanzte sogar, mit einer betrunkenen jungen Mitarbeiterin von Azhar, die sich beim Tanzen an ihm rieb wie eine Stripperin beim Tabledance, aber in Wirklichkeit war er mit seinen Gedanken ganz woanders.
    Jetzt, da der Einsatz so weit vorbei war, fühlte er sich völlig ausgelaugt. Was immer nun passieren würde, er hatte keinen Einfluss mehr darauf. Nur eines konnte die Leere ausfüllen, die sich auf einmal in seinem Inneren breitmachte: der Gedanke an Alice. Manchmal, in den Jahren mit Christina, hatte er sich gefragt, wie es sich wohl anfühlen mochte, wirklich verliebt zu sein. Jetzt wusste er es. Und plötzlich wusste er auch, dass er an diesem Silvesterabend einen wichtigen Vorsatz fassen wollte. Er sah sich nach Hoffman um, um mit ihm darüber zu reden, doch der schien plötzlich verschwunden zu sein.
    Am früheren Abend hatte Ferris mit Alice telefoniert. Sie machte sich gerade fertig, um mit ein paar jordanischen Freunden zu einer Party im Four Seasons zu gehen, und hatte nicht den geringsten Versuch unternommen, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden, weil er nicht bei ihr war. Diese Phase hatte sie schon hinter sich gelassen – jetzt schwieg sie einfach. Als es in Amman Mitternacht wurde, hatte Ferris sie auf dem Handy angerufen, doch sie war nicht drangegangen, und es hatte ihm wehgetan, zum Jahreswechsel ihre Stimme nicht zu hören, sie nicht einmal durchs Telefon küssen zu können. Er hatte ihr eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, aber da er in Mincemeat Park keinen Handyempfang hatte, wusste er nicht, ob sie schon versucht hatte, ihn zurückzurufen.
    Er wandte sich von den Feiernden ab, ging in ein leeres Büro und wählte dort Alices Nummer. Sogar durch die geschlossene Tür hörte man noch die Bässe wummern. Alice nahm beim dritten Klingeln ab. Sie klang verschlafen und ein bisschen benebelt, als hätte sie eine Schlaftablette genommen.
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte Ferris. »Ich habe gerade eben einen Vorsatz für das neue Jahr gefasst.«
    »Was?«, fragte sie. Es war ganz offensichtlich, dass sie noch nicht richtig wach war.
    »Ich bin bereit.«
    »Wozu?«
    »Ich bin bereit, zu dir zu kommen und mit dir zu leben. Alles andere ist mir egal.«
    »Nichts ist egal. Wann kommst du nach Hause?« Ihre Stimme war so weit weg, dass sie richtig verloren klang.
    »Übermorgen«, sagte Ferris. »Ich fliege am Neujahrstag zurück und bin am zweiten Januar abends wieder bei dir. Und dann werde ich für dich kochen, dich lieben und dir alles geben, was du von mir willst.«
    »Das ist schön.« Jetzt wurde sie doch langsam wach. »Und was meinst du damit konkret?«
    »Ich werde dir die Wahrheit sagen. Ich will nicht mehr mit einer Lüge leben. Das muss ich jetzt auch nicht mehr. Damit ist es jetzt vorbei.«
    »Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon du redest, aber es hört sich sehr süß an.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Ferris. »Hauptsache, ich weiß, wovon ich rede.«
     
    Ferris blieb noch eine Weile in dem leeren Büro sitzen und dachte an Alice und daran, was er im neuen Jahr zu tun hatte, wenn es ihm wirklich ernst war mit seinem Entschluss. Er würde ihr alles erzählen, was wiederum bedeutete, dass er von der CIA Abschied nehmen musste. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Es war bereits kurz vor Mitternacht, als Hoffman an die Tür hämmerte. Er hatte eine Flasche Champagner

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