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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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irakischen Kolonie von Dearborn in Michigan aufgewachsen, war er 2003 dumm genug gewesen, den leeren Phrasen der US-Regierung zu glauben und sich mit einem dicken CIA-Stipendium in den Irak schicken zu lassen. Seine Verwandten dort beschützten ihn und taten so, als würden sie ihm glauben, dass er im Irak einen Importhandel mit Satellitenschüsseln und Decodern aufziehen wollte. Ferris wusste, dass Bassam eines Tages mit einer Kugel im Kopf enden würde, aber er wusste auch, dass er nichts tun konnte, um das zu verhindern.
    «Ya Bassam! Marhaba», begrüßte er seinen Agenten, ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und kurbelte das Fenster hoch. Der Iraker trug eine billige Lederjacke und hatte sich das Haar zurückgegelt.
    «Hey, Mann, was geht ab?», erwiderte Bassam. «Alles cool?» Obwohl Ferris ihn immer wieder davor gewarnt hatte, so zu sprechen, liebte er den amerikanischen Straßen-Slang, der ihn an seine Heimat in Dearborn erinnerte. Aber an diesem Tag war es nicht nur das. Bassam hatte so ein Funkeln in den Augen, als könnte er es kaum erwarten, Ferris etwas zu erzählen.
    «Alles bestens», sagte Ferris. «Es ist immer gut, wieder rauszukommen. Ich habe die Nase voll von Balad. Zu viele durchgeknallte Amerikaner. Jetzt wird’s mal wieder Zeit für ein paar durchgeknallte Iraker.»
    «Na, Boss, da hab ich heute gleich ’nen besonders Durchgeknallten für dich. Den muss man sich echt mal geben. Im Ernst, Mann. Der Mega-Knaller.» Aufgedreht, wie er war, erinnerte Bassam schon fast an einen DJ.
    «Also, was hast du für mich?», fragte Ferris.
    «Das Original, Mann. Ist ’n al-Qaida-Typ aus der Gegend von Tikrit. Ich hab den schon als Kind gekannt, bevor ich von hier weg bin. Nizar heißt er. Eigentlich wollte er auch nach Amerika, hat aber nie die richtigen Papiere gekriegt, und da hat er eben für Saddams Mukhabarat gearbeitet. Nach der Befreiung ist er voll abgegangen, weißt schon, wie die meisten Leute aus Tikrit, und hat angefangen, für Sarkawi zu arbeiten. Behauptet er jedenfalls. Und jetzt macht er sich vor Angst fast in die Hosen, Mann.»
    Ferris’ Augen leuchteten. Er zog die Kufija noch tiefer ins Gesicht, damit die Leute in den Autos um sie herum ihn nicht erkennen konnten. Genau darauf hatte er seit drei Monaten gewartet. Falls es denn stimmte. «Wie hast du den Jungen gefunden, Bassam?»
    «Er hat mich gefunden, Mann. Er glaubt, die bösen Jungs wollen ihn killen. Der sollte so einen Selbstmordeinsatz machen, hat dann aber Angst gekriegt. Und er weiß allen möglichen Kram. Jetzt will er, dass wir ihm helfen … weißt schon, ihn hier rausbringen und so.»
    «Ach du Scheiße.» Ferris schüttelte den Kopf. «Du hast ihm aber hoffentlich nicht erzählt, dass du für den Großen Onkel arbeitest?»
    «Natürlich nicht, Mann. Ich bin doch nicht blöd. Nein, der ist einfach zu mir gekommen, weil ich mal in den Staaten gelebt hab, weiter nichts. Er denkt, ich kann den ganzen Kram für ihn managen. Ich hab ihm nur gesagt, ich schau mal, was ich tun kann. Jetzt ist er bei meinem Onkel, halbe Strecke nach Tikrit. Ich hab ihm gesagt, wir schauen heute mal vorbei.»
    Ferris musterte seinen irakischen Hip-Hop-Agenten. «Weißt du, Bassam, du bist echt eine Nummer. Ich bin stolz auf dich.»
    Sie fädelten sich in den Berufsverkehr auf dem Highway I ein, der Hauptverkehrsstraße, die am Ufer des Tigris entlang bis nach Tikrit fuhrt. Hinter ihnen rumpelte ein amerikanischer Versorgungskonvoi heran, und Bassam ging wie alle Iraker vom Gas, um die schießfreudigen US-Soldaten vorbeizulassen. Das wäre dann wirklich noch die Krönung, dachte Ferris, von irgendeinem Unteroffizier aus Nebraska abgeknallt zu werden, der zur Schutzmannschaft eines Steak- und Colakonvois für die Truppen im Norden gehört und einen aus irgendwelchen Gründen für einen Terroristen hält. Bassam ließ Radio Sawa laufen, einen amerikanischen Sender, der amerikanische mit arabischer Musik mischte – das Einzige, was die Iraker freiwillig von den Amerikanern angenommen hatten. Bassam rappte gerade bei einem Eminem-Song mit, als Ferris ihn unterbrach.
    «Wir müssen sehr vorsichtig sein, Bassam. Wenn der Junge tatsächlich so viel wert ist, wie du sagst, bringen die ihn um, sobald sie merken, dass er abhauen will. Du musst dich jetzt wirklich mal an unsere Vereinbarungen halten, Bruder. Verstanden?»
    «Klar, Boss, alles cool.»
    «Im Gegenteil, es ist gar nichts cool. Wenn du so weitermachst, bringst du uns beide um und deinen

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