Der Mann, der niemals lebte
Misstrauen erregendes Geräusch gehört hat. »Wie bitte? Was hast du da gerade gesagt? Wer ist Alice?«
»Ich wollte mich bloß bei Ihnen bedanken, dass Sie Alice Melville bei den Wasserrädern in Hama freigelassen haben. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, das ist alles.«
Süleyman streckte Ferris beide Hände entgegen, die Handflächen nach oben als Zeichen seiner Unschuld.
»Aber Fares, wir haben diese Person, diese Alice, nicht freigelassen. Wie könnten wir auch, wo wir sie doch niemals in unserer Gewalt hatten? Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, wer sie ist. Alice? Nun machst du mir wirklich Sorgen. Ich frage mich, ob du nicht doch ein falsches Spiel mit uns spielst.«
»Großer Gott«, hauchte Ferris. Es war nicht viel mehr als ein Flüstern. Jetzt erkannte er, was hier los war. Es gab nur einen einzigen Mann, der so gut über die geheimsten Informationen der CIA Bescheid wusste, dass er kleine Appetithäppchen davon an Süleyman weiterleiten konnte, nur einen Mann, der genug über Omar Sadiki wusste, um ihn umzudrehen und ihm in den Augen der al-Qaida eine gänzlich neue Bedeutung zu verleihen. Und es gab nur einen einzigen Mann, der über Alice Melville so gut Bescheid wissen konnte, um über ihre Entführung Ferris mit in sein Spiel zu ziehen: Ed Hoffman. Er hatte Ferris wie einen verlockenden Köder vor Süleymans Augen baumeln lassen, ein glitzerndes Trugbild in einem vertrackten Spiegelkabinett. Plötzlich hasste Ferris Hoffman so sehr, wie er noch nie einen Menschen gehasst hatte.
»Etwas scheint dich zu verwirren, Fares«, sagte Süleyman. »Darf ich fragen, was das ist?« Auch er schien nachgedacht zu haben während der kurzen Stille, in der sie beide ihre Gedanken neu geordnet hatten. Er rückte mit seinem Stuhl näher an Ferris heran und legte ihm die rechte Hand an den Hals. Obwohl er nicht zudrückte, war die Berührung doch fest genug, um Ferris zu zeigen, dass er die totale Macht über ihn hatte.
»Ich möchte, dass du mir in die Augen schaust«, fuhr der Syrer fort. »Und dann sag mir, dass du die Wahrheit sagst. Das ist mein Lügendetektor – ich lege dir die Hand an den Hals, und du schaust mir in die Augen. Und jetzt sag es.«
»Ich sage die Wahrheit«, sagte Ferris und versuchte, seine Emotionen dabei so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten. Fast hätte er es auch geschafft, doch seine Augenlider zitterten ganz leise. Es war nicht einmal ansatzweise ein Zwinkern, doch es fiel dennoch auf. Er hatte sich zu sehr bemüht, und Süleyman merkte, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Ich glaube, du lügst, Fares. Etwas an dir ist falsch. Ist es nur eine Kleinigkeit? Oder ist es alles? Ich weiß es nicht, und das macht mich unruhig. Aber es ist gut, dass ich jetzt bei dir bin, verstehst du? So werde ich bald herausfinden, wo die Lügen stecken. Möge Gott mir vergeben, aber du bist nun nicht mehr mein Gast. In meinem Herzen schicke ich dich fort.«
»Und was bin ich dann?«
»Mein Gefangener.«
Süleyman rief einen Namen, und der Ägypter kam ins Zimmer geeilt, begleitet von einem zweiten Mann, der eine schwarze Skimaske trug. Süleyman sagte den beiden auf Arabisch, dass es jetzt an der Zeit sei, den CIA-Mann zu verhören, das Video für Al Dschasira würden sie später aufnehmen, wenn sie wussten, was er zu sagen hatte. Dann stand er auf, beugte sich über Ferris, spuckte ihm ins Gesicht und verließ dann den Raum.
Sie zwangen Ferris, sich auf einen hölzernen Stuhl zu setzen, über dessen Armlehnen sie ein großes Sperrholzbrett legten, in das mehrere Löcher gebohrt waren. Mit dickem Klebeband befestigten sie Ferris’ Arme an den Stuhllehnen und legten seine Hände mit gespreizten Fingern auf das Brett. Mit Hilfe von dünnen Drähten, die sie durch die Löcher zogen, fixierten sie jeden Finger so, dass er für sich ein Ziel bildete. Als sie damit fertig waren, holte der Ägypter einen schweren Metallhammer und legte ihn zwischen Ferris’ bewegungsunfähige Hände auf das Brett.
»Willkommen in Guantanamo«, sagte er.
Sie ließen Ferris zwanzig Minuten lang allein. An den Geräuschen, die aus dem Nebenzimmer kamen, schloss er, dass sie dort etwas aßen. Ferris spürte pochende Schmerzen in seinen Fingern, die wohl eine Vorahnung dessen waren, was noch kommen würde. Ob er jetzt wohl auf die Giftschiene beißen würde, wenn er sie noch hätte? Die Qualen, die ihm bevorstanden, waren vollkommen sinnlos. Er war hierhergekommen, weil er geglaubt hatte, durch seinen Tod
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