Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
Vom Netzwerk:
Alice das Leben zu retten. Dabei hatte ihr Leben nie gerettet werden müssen, denn sie war ja gar keine Gefangene der al-Qaida gewesen. Jemand hatte ihn in eine Situation gebracht, in der er sein Leben für nichts und wieder nichts verspielt hatte. Ferris musste an eine Szene aus einem Roman von André Malraux denken, den er während des Studiums gelesen hatte. Darin werden zwei überzeugte kommunistische Partisanen gefoltert, und einer von ihnen entschließt sich zu einer großartigen Geste selbstlosen Heldentums: Er überlässt die Giftpille, die er bei sich trägt, seinem Kameraden, dem sie aber vor lauter Schwäche aus den Fingern gleitet und in einem Spalt im Boden verschwindet, wo sie keinem von beiden mehr etwas nützt. Für Ferris war diese Szene immer das beste Beispiel für die Vergeblichkeit einer selbstlosen Handlung gewesen. Bis jetzt.
     
    Schließlich kam Süleyman wieder herein, gefolgt von dem Ägypter und dem Mann mit der schwarzen Maske. Er setzte sich wieder auf den Stuhl gegenüber, während sich die anderen rechts und links von Ferris postierten. Süleyman hatte Arbeitshandschuhe angezogen, vermutlich, um den Hammer besser greifen zu können und seinen gepflegten Händen den Kontakt mit dem Blut zu ersparen.
    »Wir sind nicht besonders gut in diesen Dingen«, sagte Süleyman, als er nach dem Hammer griff und ihn in der Hand wog. »Das kommt daher, dass wir nicht viele Gefangene haben, an denen wir üben können. Aber jetzt lernen wir von dir. Du wirst unser Lehrer sein. Warum könnt ihr Amerikaner euch eigentlich nicht vorstellen, dass wir, wenn ihr uns foltert, euch irgendwann auch einmal foltern könnten? Man muss schon sehr dumm sein, um zu glauben, dass es einem selbst nicht am meisten schadet, wenn man die Regeln des Krieges bricht. Vielleicht fehlt es euch ja an Phantasie. Ja, ich glaube, das ist es. Ihr könnt euch nicht vorstellen, dass man euch ebenso behandeln wird, wie ihr andere behandelt.«
    Er hob den Hammer und ließ ihn nur wenige Millimeter neben Ferris’ rechter Hand so heftig niedersausen, dass das Sperrholz splitterte. Ferris schrie kurz auf, obwohl der Hammer ihn gar nicht getroffen hatte. Die Männer neben ihm lachten, doch ihr Anführer lachte nicht.
    »Das war ein Übungsschlag«, sagte Süleyman. »Und jetzt erkläre ich dir, was wir tun werden. Du hast zehn Finger. Jedes Mal, wenn du uns nicht die Wahrheit sagst, schlage ich dir einen davon kaputt. Wenn wir mit den Fingern fertig sind, kommen deine Zehen dran, dann deine Zähne, deine Augen, und zuletzt deine Zunge. Und für den Fall, dass der Hammer vom vielen Schlagen kaputtgeht, halten wir noch einen Ersatzhammer bereit.«
    »Und wenn ich die Wahrheit sage?«
    »Aber du bist doch ein Lügner«, erwiderte Süleyman abfällig. Er hob den Hammer, hielt ihn eine Weile in der Luft und ließ ihn dann mit brutaler Energie auf den kleinen Finger von Ferris’ rechter Hand herunterkrachen. Er traf den mittleren Knöchel mit solcher Wucht, dass er Knochen und Haut auf dem Brett völlig zerquetschte. Der Schmerz war so heftig, dass Ferris vor Qual an seinen Fesseln zerrte. Doch das Einzige, was sich löste, war ein gellender Schrei.
    »Viel zu laut«, sagte Süleyman. »Das könnte ja jemand hören.« Er schaute zu dem Ägypter hinüber. Dann stand er auf, ging zum Fenster und zog den schweren, lichtdichten Vorhang zurück und schaute kurz hinaus. »Wer hat dieses Haus eigentlich ausgesucht?«, fragte er. »Hier in der Gegend wohnen viel zu viele Leute. Ich kann sogar jetzt welche sehen, da draußen, vor dem Fenster. Das ist ein schlechtes Haus. Vor dem nächsten Finger müsst ihr ihn knebeln, damit die Leute nichts hören.« Der Ägypter nickte.
    Ferris stöhnte gepeinigt, während er auf seine Hand starrte. Bald würden alle Finger an beiden Händen kaputt sein, niemals mehr etwas anfassen, berühren, spüren können.
    »Sei still, Fares«, sagte Süleyman, und Ferris’ Stöhnen wurde zu einem leisen Wimmern. »Danke. Und jetzt können wir anfangen, denke ich. Ich stelle Fragen, und du beantwortest sie. Und jedes Mal, wenn ich eine Lüge höre, kommt mein Freund, der Hammer, zum Einsatz. Verstanden?«
    Ferris krächzte seine Zustimmung.
    »Also gut. Erste Frage. Wer war der CIA-Mann Harry Meeker? Und warum hatte er diese Dokumente bei sich?«
    »Es hat nie einen Harry Meeker gegeben«, sagte Ferris, doch noch während er sprach, hob Süleyman den Hammer. »Nicht!«, schrie Ferris. »Bitte nicht. Es stimmt. Harry Meeker war

Weitere Kostenlose Bücher