Der Mann, der niemals lebte
ein CIA- Mann der al-Qaida all diese Informationen zukommen lassen, wenn nicht, um uns hereinzulegen? Aber die Informationen waren wirklich gut. Und als du uns dann mitgeteilt hast, dass du in Wirklichkeit Muslim bist und wir uns über deine Familie informiert haben, da glaubten wir, dass vielleicht doch etwas dran ist. Diesen Grund konnten wir nachvollziehen. Was ist schlimmer, als im Land der kufr und jahil, der Ungläubigen und Unwissenden, ein Muslim zu sein?« Er hielt inne und musterte Ferris aus seinen tiefdunklen Augen.
»Ich bin allein«, sagte Ferris. Eigentlich hatte er noch mehr sagen wollen, aber er tat es nicht. Noch immer wusste er nicht, was die besten Antworten waren, aber das, was er gesagt hatte, stimmte auf jeden Fall: Er war allein.
»Und dann, als du uns durch deinen Mittelsmann gesagt hast, dass du zu uns kommen und ein Teil von uns sein willst, da dachten wir uns, dass du entweder verrückt sein musst oder es wirklich ehrlich meinst. Dass du tatsächlich das bist, was du zu sein behauptest. Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Wir mussten dich treffen und sehen, was du für uns hast. Erst dann können wir sicher sein, dass bei dir wirklich alles Gold ist, was glänzt.«
Ferris sagte nichts. Er wollte keinen falschen Schritt machen, vermutete aber, dass Schweigen besser für ihn war, als zu viel zu sagen. »Es stimmt«, sagte er schließlich. »Ich bin, was ich zu sein behaupte.«
»O ja«, sagte Süleyman. »Dessen bin ich mir sicher.« Dem Ton seiner Stimme konnte Ferris allerdings entnehmen, dass der Syrer noch weit davon entfernt war, ihm zu vertrauen.
Ferris brauchte weitere Informationen. Er tappte immer noch zu sehr im Dunkeln. Es war offensichtlich, dass Süleyman bald von den anfänglichen Freundlichkeiten zum wirklichen Verhör übergehen würde, und Ferris überlegte fieberhaft, wie er mehr herausfinden konnte, ohne selbst zu viel preisgeben zu müssen. Er musste wissen, woraus sich Süleymans Version der Realität zusammensetzte. Bis jetzt konnte er nur raten. Er musste unbedingt mehr erfahren.
»Ich bin froh, dass Sie meinen Mittelsmann angehört haben«, sagte er schließlich. »Das war ein wichtiger Bestandteil meines Plans.
»O ja. Wir haben Mr. Sadiki vertraut. Schließlich kennen wir ihn schon lange. Er ist ein Freund unserer Freunde. Und als er begann, uns deine Botschaften zu übermitteln, waren wir natürlich sehr interessiert. Und wir hatten auch Verständnis für das doppelte Spiel, das du spielen musstest, damit deine Treffen mit Hadschi Omar keinen Verdacht erregten. O ja.«
»Was halten Sie von dem Attentat in Incirlik?«, fragte Ferris in der Hoffnung, Süleymans Wissensstand dadurch ein wenig mehr ausloten zu können.
»Das war wirklich gut. Erst der inszenierte Bombenanschlag und dann die Versuche, ihn Hadschi Omar anzulasten. Sehr schön. Wir haben selbst ein paar Tage gebraucht, um das alles zu durchschauen.« Süleymans Augen verengten sich zu Schlitzen, und seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln voller Skepsis. »Zumindest glaube ich, dass wir es durchschaut haben. Aber das werden wir später bestimmt noch erfahren, nicht wahr? Du bist ein Freund, Fares, ein Mitglied der umma, ein Teil des Dar ul-Islam. Du wirst uns sicher helfen.«
Ferris lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Jetzt kannte er ein paar weitere Teile des Puzzles. Irgendjemand hatte Sadiki nach jedem seiner Treffen mit Ferris Botschaften übermittelt, die dieser dann an die al-Qaida weitergegeben hatte. Damit sollte der Eindruck entstehen, dass Ferris Sadiki als geheime Verbindung zur al-Qaida nutzte, was in gewisser Weise ja sogar zutraf. Nur hatte dieser Jemand es völlig umgedreht. Jetzt war klar, dass Sadiki nicht von der al-Qaida entführt worden war, wie Ferris ursprünglich geglaubt hatte, sondern von demjenigen, der bei diesem seltsamen Marionettenspiel die Fäden in der Hand hielt. Wenn aber die al-Qaida Sadiki nicht entführt hatte, warum hatte sie dann Alice in ihre Gewalt gebracht? Auf diese Frage konnte er keine Antwort finden. Alice war frei und am Leben – das war das Wichtigste für ihn.
»Danke, dass Sie Alice Melville wieder freigelassen haben«, sagte Ferris. Die Worte entfuhren ihm einfach so. Es war die einzige Emotion, die nicht gespielt war, und das einzige Teil in diesem Verwirrspiel, das er zu verstehen glaubte. »Sie ist keine Muslima, aber ich liebe sie sehr.«
Süleyman legte ruckartig den Kopf schief wie ein Tier, das gerade ein
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