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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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eine Erfindung. Er war ein Toter, den wir entsprechend präpariert haben, damit es so aussieht, als wäre er ein CIA-Agent, der einen Kontaktmann bei der al-Qaida treffen will.«
    »Aber er trug eine Botschaft für mich bei sich, dieser Harry Meeker.«
    »Richtig. Aber diese Botschaft war gefälscht. Wir wollten, dass die al-Qaida glaubt, Sie würden für uns arbeiten.«
    »W’Allah!« Es war ein rauer, kehliger Zornesruf. Süleyman lief rot an, und wie aus einem wütenden Reflex heraus schlug er mit dem Hammer nach dem Ringfinger neben dem bereits zerquetschten kleinen Finger. Der Schlag war nicht so fest wie der erste, weil Süleyman ihn im letzten Augenblick noch abmilderte. Vermutlich wollte er nicht, dass Ferris, der immer noch nicht geknebelt war, tatsächlich die Nachbarn auf den Plan rief. Ferris brüllte trotzdem auf, gleichermaßen vor Angst wie vor Schmerz. Und dieses Mal hörte er nicht mehr auf zu schreien.
    »Knebelt ihn!«, befahl Süleyman.
    Der Ägypter zog einen Lappen aus der Tasche und stopfte ihn Ferris in den Mund, und der Mann mit der Skimaske wollte gerade einen Streifen Klebeband darüberziehen, als er von draußen ein Geräusch hörte und herumwirbelte. Auch Süleyman und der Ägypter drehten die Köpfe zur Tür, von wo jetzt das laute Feuer automatischer Waffen zu hören war. Ferris konnte nur eines denken: Jetzt werde ich wenigstens schnell sterben.
     
    Es war alles nur eine Angelegenheit von Sekunden: Ferris hörte das Splittern einer Fensterscheibe, gefolgt vom Knall einer Explosion und dem gleichzeitigen Aufflammen eines grellen Blitzes. Türen wurden zugeschlagen, Menschen schrien, und immer wieder war Gewehrfeuer zu hören. Das Zimmer war jetzt voller Rauch, und alle husteten und rangen keuchend nach Luft. Ferris hörte, wie Männer in den Raum stürmten. Ein geblendeter Süleyman stieß laute Flüche hervor und tastete sich zum Fenster, aber die Männer packten ihn und die beiden anderen und rissen sie zu Boden. Draußen wurde immer noch geschossen, doch kaum fünfzehn Sekunden später war alles wieder ruhig. Offenbar waren die restlichen al-Qaida-Kämpfer tot. Der Rauch begann sich zu verziehen, und nach und nach konnte Ferris wieder etwas erkennen. Er sah, dass Süleyman gefesselt und geknebelt am Boden lag. Männer in schwarzen Uniformen steckten ihn in einen großen Leichensack und trugen ihn zur Tür, während weitere Schwarzuniformierte dasselbe mit den anderen beiden Männern taten.
    Einen Augenblick später, als die drei Terroristen weggebracht worden waren, kam ein Mann in schwarzem Kampfanzug auf Ferris zu. Er löste Ferris’ Finger vorsichtig von dem Folterbrett. Als beide Hände wieder frei waren, sah der Mann sich die verletzten Finger an. Er schien Sanitäter zu sein.
    »Den kleinen werden wir wohl amputieren müssen«, sagte er, »aber der andere ist vielleicht noch zu retten.« Er sprach Englisch mit arabischem Akzent, was Ferris befürchten ließ, dass er nur von einer Hölle in die nächste geriet – aus dem Folterhaus der al-Qaida in ein syrisches Gefängnis. Der Sanitäter tupfte seinen Oberarm mit einem alkoholgetränkten Wattebausch ab und gab ihm eine Spritze, die ihn erst leicht benommen machte. Und dann verlor er das Bewusstsein.

 
Tripolis, Libanon         
    Als Ferris erwachte, lag er in einem Metallbett mit gestärkten weißen Laken und wusste nicht, ob er sich in einem Krankenhaus oder einem Gefängnis befand. Als er auf seine rechte Hand hinunterschaute, sah er, dass ein Finger geschient war. Der kleine Finger war ganz verschwunden – offensichtlich hatte man ihn tatsächlich amputiert. Er versuchte, sich auf die Seite zu drehen, stellte aber fest, dass er mit einem Lederriemen über der Brust fixiert war. Also drehte er nur den Kopf und entdeckte einen kunstvoll arrangierten Blumenstrauß auf dem Nachttisch. Ferris sog den Duft der Blüten ein und dachte, dass man einem im Gefängnis wohl kaum Blumen aufs Zimmer stellen würde.
    Nachdem er vielleicht zehn Minuten wach gelegen hatte, kam eine Krankenschwester ins Zimmer. Sie sagte etwas auf Arabisch zu jemandem, der draußen auf dem Flur stand. Ferris wandte den Kopf und sah durch die geöffnete Tür, dass sie mit einem dunkelhaarigen Soldaten sprach, der vor seinem Zimmer Wache hielt. Damit war klar, dass er sich immerhin noch in der arabischen Welt befand, wo immer er auch genau sein mochte. Als die Krankenschwester sah, dass er aufgewacht war, entfernte sie den Lederriemen und half

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