Der Mann, der niemals lebte
Schreibtisch und kam auf ihn zu.
»Salaam altikum, Hani Pascha!«, sagte Ferris und küsste den Jordanier auf beide Wangen. Hani nahm diese Ehrfurchtsbezeugung amüsiert entgegen, zog an der Zigarette, die er in der Hand hielt, und blies Ferris einen perfekten Rauchring entgegen.
»Willkommen, Roger«, sagte er. »Ihren guten Manieren nach zu schließen, könnten Sie fast ein Araber sein. Kein Wunder, dass wir alle Sie so gern haben.«
»Ich bin aber kein Araber, bloß ein Amerikaner, der Ihre Sprache spricht.«
»Sind Sie da sicher?«, fragte Hani mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Bestimmt haben Sie irgendwo eine arabische Großmutter oder einen anderen Vorfahren von unserem Blut. In solchen Dingen täusche ich mich nie.«
»Diesmal aber schon«, erwiderte Ferris und lächelte ebenfalls. Er redete niemals über seine Familie. Bei der CIA war so etwas ohnehin nicht gern gesehen, und außerdem fand er, dass sein Privatleben niemanden etwas anging.
»Y’Allah! Bitte, nehmen Sie doch Platz.« Hani deutete auf eine Couch in der Ecke des Raumes. In seinem Tweedsakko, dem Hemd mit dem offenen Kragen und seinen nagelneuen, eleganten Wildlederschuhen, die er wohl auf einer kürzlich unternommenen Londonreise gekauft hatte, erinnerte er noch mehr als sonst an Dean Martin.
»Gut sehen Sie aus«, sagte Ferris. Das war nicht einmal gelogen. Der Mann strotzte geradezu vor Gesundheit und Lebensfreude. Wahrscheinlich hatte er sich als Belohnung für all seine Mühen einen Besuch in einem Berliner Edelbordell gegönnt.
»Wie geht es denn Ihrem Bein, mein Lieber?«, fragte Hani.
»In Berlin ist mir aufgefallen, dass Sie immer noch ein wenig humpeln. Ich hoffe nur, es ist alles gut verheilt.«
»Mir geht es gut, Hani Pascha, und wenn ich Sie sehe, geht es mir gleich noch einmal viel besser.«
»Ich bin gestern erst aus Deutschland zurückgekommen. Ein sehr ordentliches Land, das muss ich sagen, auch wenn sein Geheimdienst praktisch nutzlos ist. Der hat vermutlich nicht einmal mitbekommen, dass sie Besuch hatten. Als ich wieder hier war, haben mir meine Leute gesagt, dass Sie mich so schnell wie möglich sehen wollen. Weshalb denn?« Hani hob die Augenbrauen.
»Wegen Mailand. Die Europäer drehen langsam durch und das Weiße Haus ebenfalls. Alle wollen etwas von uns.«
»Bei mir ist es genau das Gleiche.« Hani hob die Hände. »Ich habe heute Vormittag Termine mit den Italienern, den Franzosen und den Briten abgesagt, um Sie zu treffen. Alle möchten so schnell wie möglich konkrete Ergebnisse haben, aber die haben ja alle miteinander keine Ahnung, wie Geheimdienste arbeiten. Da gibt es keinen Schnellgang. Ed Hoffman versteht das. Er weiß, dass gute Arbeit nun einmal ihre Zeit braucht.«
»Mr. Hoffman fand Ihre Operation in Berlin sehr interessant und gratuliert Ihnen zum Erfolg. Ich glaube, er ist schwer beeindruckt.« Ferris hielt inne. Er war kurz davor, zu dick aufzutragen.
»Danken Sie Ed bitte herzlich für sein Lob. Käme es von jemand anderem, würde ich es als Schmeichelei auffassen, mit der man mich dazu bringen will, etwas Bestimmtes zu tun.« Er lächelte freundlich, doch der Ausdruck seiner Augen verriet deutlich, dass er durchschaut hatte, worauf sein amerikanischer Kollege hinauswollte.
»In dieser Sache haben wir leider wenig Spielraum, Hani Pascha«, sagte Ferris. »Sie können sich ja sicher vorstellen, dass Mr. Hoffman jede Menge Fragen zu dem Mann hat, den wir in Berlin getroffen haben.«
»Und ob ich mir das vorstellen kann.«
»Ganz besonders interessiert Mr. Hoffman natürlich, wie Ihr zweites Treffen mit Mustafa Karami verlaufen ist.« Ferris hoffte, dass Hani es nicht als aufdringlich empfand, wenn er so zielstrebig zum Punkt kam, aber bei dem Chef der jordanischen Geheimpolizei konnte man nie wissen, wie viel Zeit man mit ihm hatte. Der König hatte die Angewohnheit, zu den unmöglichsten Zeiten plötzlich aufzutauchen und seine Leute stundenlang mit Beschlag zu belegen.
»Dieser Fall ist kompliziert«, antwortete Hani. »Höchst vielversprechend, aber kompliziert.«
»Wie das? Sie hatten den Mann doch völlig in der Hand.
»Sprich mit deiner Mutter« – das war der beste Schachzug, den ich je gesehen habe. Außerdem gehen Sie in eine Richtung, die uns sehr interessiert.« Ferris überließ es Hani, den Faden aufzunehmen, doch der nahm lediglich das Kompliment dankend entgegen.
»Stimmt, wir haben ihn in der Hand, wie Sie sagen. Die zweite Unterredung verlief äußerst
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