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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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her.«
    »Also, ich weiß es noch. Sie haben mich angeschaut und gesagt: «Wir müssen diese Leute stoppen .» Nach dem 11. September habe ich nur gedacht: Bringt mir den jungen Ferris her. Holt ihn aus dem Jemen zurück und macht ihn zu meinem Einsatzleiter. Ich habe Sie an mindestens dreißig Leuten vorbei befördert, ist Ihnen das eigentlich klar? Der 11. September war eine Katastrophe für Amerika, aber für Sie, mein Junge, war er ein Riesen-Karrieresprung.«
    »Jetzt hören Sie schon auf, Ed. Immerhin liege ich hier mit einem halb abgeschossenen Bein im Krankenhaus.«
    Hoffman reagierte gar nicht darauf. »Was Sie damals zu mir gesagt haben, gilt immer noch – jetzt, wo wir Süleyman im Visier haben, jetzt, wo Sie nach Amman gehen werden. Diese Typen sind Killer. Sie wollen diesen Krieg in jedes Einkaufszentrum und jeden Supermarkt in ganz Amerika tragen. Und darum spiele ich den Ball jetzt an Sie zurück, Roger: Wir müssen diese Leute stoppen.«
     
    Christina Ferris besuchte ihren Mann alle paar Tage im Krankenhaus. Sie war eine dunkelhaarige Schönheit mit einer Figur, bei deren Anblick den anderen Patienten der Mund offen stehen blieb. Meist blieb sie nicht sehr lange, weil sie gleich wieder ins Justizministerium zurückmusste. Aber auf ihre eigene, durchorganisierte Weise war sie Ferris eine hingebungsvolle Ehefrau. Die beiden hatten sich beim Studium an der Columbia kennengelernt. Christina war intelligenter als er, zumindest nach herkömmlichen Maßstäben, weshalb sie auch auf Anhieb die Aufnahmeprüfungen für die Columbia Law School geschafft hatte. Während Ferris sich noch bei Time langweilte, hatte sie mit links ihr Jurastudium absolviert, und als er bei der CIA anfing, ging sie ebenfalls nach Washington und arbeitete in der Kanzlei eines konservativen Richters. Als dann die Republikaner an die Regierung kamen, bot man ihr eine Stelle im Justizministerium an. Christina hatte Ferris gefragt, ob es ein Problem für ihn sei, wenn sie beide für die Regierung arbeiteten, und er hatte nein gesagt. Er war stolz auf sie, so wie sie stolz auf ihn war.
    Christina glaubte fest an ihre Ideale. Das war der größte Unterschied zwischen ihnen. Für Ferris waren alle Konzepte im Leben induktiv und konnten jederzeit revidiert werden, während es bei Christina genau umgekehrt funktionierte: Sie hatte ihre Prinzipien und setzte sie in die Praxis um. Vielleicht war sie ja früher, als sie noch jünger waren, weniger sicher in ihren Überzeugungen gewesen, oder vielleicht war Ferris im Lauf der Zeit auch unsicherer geworden. Jedenfalls hatte er diese Kluft zwischen ihnen erst richtig bemerkt, bevor er in den Irak gegangen war, und seitdem war sie deutlich größer geworden. Christina wollte grundsätzlich nichts hören, was sie ins Grübeln bringen konnte. Wenn Ferris ihr zu erklären versuchte, was ihn im Irak so verstört hatte, schüttelte sie nur den Kopf, als würde er sich einfach nicht genug Mühe geben.
    Aber ganz gleich, was für Differenzen es gab, Christina fand immer einen Weg, sie zu überbrücken. Ihr Appetit auf Sex war bemerkenswert und äußerte sich mitunter sehr kreativ. In dieser Hinsicht entsprach sie überhaupt nicht dem Klischee einer konservativen Anwältin. Als sie Ferris zum ersten Mal im Krankenhaus besuchte, hatte sie einen langen Trenchcoat an, unter dem sie nichts weiter trug als BH, Strapse und schwarze Strümpfe. Als sie ihm einen blasen wollte, hatte Ferris sich zunächst ein wenig gesträubt. Er hatte das Gefühl, damit irgendwie all die anderen verwundeten Soldaten auf der Station zu verraten. Aber sein Widerstand währte nicht lange.
    Als er Christina danach erzählte, dass er nach Amman gehen wolle, schössen ihr die Tränen in die Augen – nicht nur, weil sie ihn vermissen würde, sondern weil sie seinen Entschluss so nobel und patriotisch fand. Sie fing davon an, dass sie doch beide im selben Krieg kämpften und ihr persönliches Glück einem höheren Zweck opfern würden, und Ferris dachte bei sich: Das ist doch Wahnsinn. Sind wir etwa bloß verheiratet, weil es das Beste für unser Land ist? Langsam fragte er sich, ob ihre Ehe noch lange halten würde, wenn seine Frau ihn nur noch als Helden sah und nicht mehr als ganz normalen Mann. Kurz vor seinem Abflug nach Jordanien versuchte er ihr noch am Flughafen zu erklären, dass er sich nicht sicher sei, ob er ihr treu bleiben könne, wenn er so lange und so weit von ihr fort sei, aber sie ließ ihn gar nicht ausreden. »Erzähl

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