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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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mir einfach nichts davon, dann ist alles in Ordnung«, sagte sie. Daraufhin küsste sie ihn, sagte ihm, dass sie ihn liebe, und meinte das offensichtlich ganz ernst. Und Ferris sagte dasselbe zu ihr: »Ich liebe dich.« Doch seine eigenen Worte klangen ihm hohl in den Ohren.

 
Amman  
    Einen Tag nach Hani Salaams Rückkehr aus Berlin besuchte Ferris ihn in der Zentrale des GID. Der Wachposten, der seinen gepanzerten Geländewagen am Eingangstor aufhielt, winkte Ferris durch, sobald er ihn erkannte. Offenbar hatte es sich bereits herumgesprochen, dass er ein Freund des Paschas war. So war das nun mal in einem Land wie Jordanien, wo sich das Leben rings um einen Königshof abspielte: Klatsch verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und alle am Hof verfugten über dieselben Informationen, sodass jeder sofort über alles Bescheid zu wissen schien. Im Palast hatte man so beispielsweise binnen weniger Tage erfahren, dass Ferris schon kurz nach seiner Ankunft in Amman zum Nachfolger des geschassten
    Büroleiters Francis Alderson ernannt worden war. Eigentlich war das streng geheim, aber in Amman ließ sich nun einmal nichts geheim halten.
    Das Gl D-Gebäude befand sich unweit der amerikanischen Botschaft auf einer steilen Anhöhe in Abdoun. Es stand ein wenig zurückgesetzt von der Straße, aber wenn man den Berg ein Stück hinaufgefahren war, ragte es hinter einer scharfen Kurve plötzlich wie eine steinerne Festung vor einem auf. In klaren Nächten konnte man von hier aus in weiter Ferne die Lichter von Jerusalem sehen, und im Innenhof hing die bedrohliche Flagge des Mukhabarat, auf der in arabischen Schriftzeichen stand: »Die Gerechtigkeit ist unser.« Das Gebäude war riesig. Niemand konnte genau sagen, wie viele Leute der Geheimdienst auf seiner Gehaltsliste hatte, weshalb man grundsätzlich vom Schlimmsten ausging. War die Person am Nebentisch im Restaurant etwa ein Informant? Wie stand es mit den Arbeitskollegen? Wie mit dem Bawab, der das Haus bewachte, in dem man wohnte? Vermutlich traf es auf all diese Menschen zu, ebenso wie auf ein Dutzend weiterer Leute, denen man tagtäglich über den Weg lief. Junge Jordanier versuchten gern zu erraten, wer in der Bar, in der sie gerade saßen, zum Mukhabarat gehörte. Aber laut auszusprechen trauten sie sich ihre Vermutungen nur, wenn ihr Vater reich genug war, um ihnen mögliche Schwierigkeiten zu ersparen. Aus dem Umstand, dass niemand wirklich wissen konnte, wo seine Leute überall waren, bezog Hani Salaam einen Großteil seiner Macht.
    Als Ferris nun das Gebäude des Mukhabarat betrat, hatte er in einem verschlossenen Aktenkoffer ein paar Abhörprotokolle der NSA dabei. Daraus ging deutlich hervor, dass mehrere Mitglieder der königlichen Familie in Telefongesprächen unverblümt mehr Geld vom Palast gefordert hatten. Die Abhöraktion war Hoffmans Idee gewesen und war als eine Art Geschenk an Hani gedacht, das Ferris ihm nach seiner Rückkunft so schnell wie möglich überreichen sollte. Die Botschaft, die Hoffman damit übermitteln wollte, lautete: Du hast etwas von uns bekommen, jetzt gib du uns auch etwas.
    Hanis Sekretär erwartete Ferris am Haupteingang des Gebäudes und führte ihn nach oben. Sie gingen an einem farbenfrohen Wandgemälde vorbei, das den jungen König mit seiner Familie zeigte, und stiegen dann eine breite Freitreppe hinauf. Mit ihrem polierten Teakholz und glänzenden Chrom erinnerte die Eingangshalle Ferris immer an die Lobby eines Luxushotels. Die meisten Jordanier hätte dieser Anblick erstaunt, denn sie stellten sich das Innere der Geheimdienstzentrale eher als eine Art Kerker vor. In Wirklichkeit hatten sich die Beamten der jordanischen Geheimpolizei schon immer ein angenehmes Leben gegönnt, was zeitweise auch mit gewissen Exzessen verbunden gewesen war. Einer von Hanis Vorgängern war sogar ins Gefängnis geworfen worden, weil er Freunden gegen großzügige Überweisungen auf ein geheimes Bankkonto gute Aufträge zugeschanzt hatte.
    Der Sekretär brachte Ferris in das Büro von Hanis freundlichem Stellvertreter, der ihn mit Tee versorgte und oberflächliche Konversation mit ihm machte. In ein paar Minuten, so sagte er, habe Hani Pascha Zeit für ihn. Schließlich kam ein Adjutant ins Zimmer und verkündete, dass der große Mann jetzt frei sei, und Ferris marschierte einen Gang entlang in ein großes Büro, in dem Porträts des Königs und seines Vaters an den Wänden hingen. Als der Amerikaner eintrat, erhob sich Hani Salaam von seinem

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