Der Mann, der niemals lebte
Sprünge, das ist alles.«
Ferris schwieg eine Weile und dachte über das nach, was Hoffman gesagt hatte. Hinter all dem Wortgeklingel stand immer noch die Tatsache, dass Hani hintergangen werden sollte, und das gefiel Ferris einfach nicht.
»Sie sind der Boss«, sagte er. »Aber wenn Sie vorhaben, irgendwelche linken Touren mit Hani abzuziehen, dann kann ich Ihnen nur davon abraten. Jetzt, nach Rotterdam und Mailand, brauchen wir alle Freunde, die wir haben, und nach dem nächsten Anschlag werden wir sie noch viel mehr brauchen. In diesem Teil der Welt muss man Vertrauen aufbauen, sonst kommt man nicht weit.«
»Falsch. In diesem Teil der Welt kann man niemandem trauen, weil alle Lügner sind. Selbst Bruder Hani. Tut mir leid, aber das ist so. Ich kenne diese Kerle schon sehr viel länger als Sie. Aber in einem haben Sie völlig recht: Ich bin der Boss.«
Ferris schüttelte resigniert den Kopf. »Wenn er es herausfindet, wird er stinksauer, und ich bin dann derjenige, der es abbekommt und aus dem Land geworfen wird wie mein Vorgänger.«
»Klar wäre er sauer, wenn er es herausbekäme. Aber er wird es nicht rausbekommen. Weil wir es ihm nämlich einfach nicht sagen werden. Solange Amerika die ganze Chose hier bezahlt, können wir auch tun, was wir wollen. So sehe ich das zumindest. Und bitte: Sie sind nun wirklich kein Francis Alderson.«
Ferris hatte die Frage schon seit Monaten stellen wollen, aber er hatte bisher nie die Gelegenheit dazu gehabt: »Warum haben die Jordanier Francis eigentlich zur Persona non grata erklärt? Das hat mir bisher noch niemand gesagt. In den Akten ist nichts zu finden, und bei der Nahost-Abteilung gibt man mir keine Auskunft. Was hat er angestellt?«
»Nun ja ...« Hoffman schloss die Augen und dachte einen Augenblick nach. »Das werden Sie auch von mir nicht erfahren. Und zwar zu Ihrem eigenen Besten.«
»Warum denn nicht? Hat er irgendwem die Frau ausgespannt oder was?«
»Nein, natürlich nicht. Das erledigen die Jordanier schon selber. Ich wünschte, es wäre so einfach.«
»Was war es denn dann?«
»Fragen Sie Hani.«
»Der erzählt mir auch nichts.«
Lächelnd schob Hoffman seinen Stuhl vom Tisch zurück und erhob sich. »Das ist ein gutes Zeichen.«
»Finden Sie? Dann will ich Ihnen mal sagen, was ich mir auf der Basis solcher Nullinformationen zusammengereimt habe. Ich befürchte nämlich, dass Hani Alderson nur deshalb etwas untergeschoben hat, damit ich die Station hier übernehmen kann. Ich bin jung und habe noch nicht allzu viel Erfahrung. Vielleicht hat er mich deshalb auch mit nach Berlin genommen. Damit er mehr Einfluss auf mich gewinnt.«
»Sie leiden unter Verfolgungswahn, mein Junge, aber das kann in unserem Job ja manchmal ganz hilfreich sein. In diesem Fall sind Sie aber auf dem Holzweg. Hani musste Alderson nichts unterschieben, glauben Sie mir.«
»Dann sagen Sie mir doch, was Francis getan hat. Ich will es wissen. Und ich muss es auch wissen.«
Hoffman kratze sich am Kopf und dachte eine Weile nach. »Okay«, sagte er dann. »Ich erzähle es Ihnen, aber einzig und allein aus dem Grund, damit Sie sich nichts mehr zusammenphantasieren. Francis Aldersons Fehler war, dass er versucht hat, einen von Hanis Stellvertretern für uns zu rekrutieren. Er hat sich mit dem Mann angefreundet und ihn zum Abendessen eingeladen. Der Mann war reif für ein Angebot, und so hat Francis ihm eben eines gemacht und ihm dabei auch noch Geld gegeben. So was tun wir tagtäglich überall auf der ganzen Welt, aber Hani ist völlig ausgerastet, als er davon erfahren hat. Er nannte es Verrat an der Beziehung zwischen unseren beiden Ländern. Wir haben alles getan, um die Sache wieder ins Lot zu bringen. Francis hat Stein und Bein geschworen, dass das Geld für den Sohn des Mannes gewesen sei, um dessen Operation in den Staaten zu finanzieren, aber Hani wusste natürlich, dass das Blödsinn war. Er hat uns kalt erwischt. Und Francis des Landes verwiesen, weil er ein Exempel statuieren wollte.«
»Und die Botschaft hinter diesem Exempel lautete: Verarscht mich nicht.«
»Genau.«
»Und jetzt verarschen wir ihn wieder.«
»Lieber Himmel, Roger, nun sehen Sie doch nicht alles so schwarz. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie mir in dieser Sache mehr Spielraum geben müssen. Und ich wiederhole es noch einmal: Auf lange Sicht wird Hani uns dankbar sein.«
Am nächsten Morgen gingen Hoffman und Ferris zu Hani. Der Chef des jordanischen Geheimdienstes war die Freundlichkeit
Weitere Kostenlose Bücher