Der Mann, der niemals lebte
aufkeimte. Sie begriff nicht, dass diese Leute auch sie umbringen wollten. Ja, sie. Das war kein Missverständnis, das sich mit immer noch mehr Liebe aus der Welt schaffen ließ. Das war Hass. Leute wie Ferris, die das wussten, hatten die Aufgabe, die Zellen, Netzwerke und Verstecke der Mörder zu finden und zu zerstören, damit Leute wie Alice am Leben blieben.
»Schau doch nicht so ernst«, sagte Alice. »Du verdirbst uns noch den ganzen Spaß.«
Ferris zwang sich zum Lächeln. »Du musst vorsichtig sein.
Mehr will ich gar nicht. Sei einfach vorsichtig. Der Rest der Welt ist nicht so nett wie du.«
»Ich weiß, was ich tue, Roger. Du unterschätzt mich. Ich weiß genau, wo die Grenzen verlaufen. Die Probleme hast doch vor allem du. Schließlich hat man dir fast das Bein zerschossen, nicht mir. Du solltest also vorsichtig sein.«
Ferris nahm ihre Hand und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich würde dich jetzt gern in den Arm nehmen, aber das kann ich hier nicht. Fahren wir doch zu dir.« Sie lächelte und stand von dem kleinen Tisch auf. Es hatte sich etwas verändert zwischen ihnen.»
Sie fuhren an den römischen Ruinen und dem goldenen Souk vorbei und dann ein paar Häuserblocks den Hügel hinauf bis zu Alices Haus. Ferris spürte instinktiv, dass er sein Glück heute nicht mehr weiter strapazieren durfte, aber er wollte Alice auch nicht gehen lassen. Als er sie zur Tür brachte, fragte er sie, ob er noch mit hochkommen dürfe.
»Heute nicht, aber vielleicht ein andermal«, sagte sie. »Dieser Abend war etwas Besonderes. So etwas habe ich seit einer Ewigkeit mit niemandem mehr erlebt. Ich will einfach nur sicher sein, dass ich auch wirklich dafür bereit bin.«
»Ich mag dich wirklich sehr, Alice«, sagte Ferris. Am liebsten hätte er »Ich liebe dich« gesagt, aber das hätte absurd geklungen. Schließlich kannten sie sich erst seit ein paar Wochen.
»Ich mag dich auch, Roger. Ich bin sehr froh, dass du heute mit mir in das Lager gekommen bist. Jetzt weißt du, wer ich bin. Ein wenig zumindest.«
Sie traten in den Schatten des Hauseingangs, fort aus dem Lichtschein der Straßenlaternen. Er küsste sie auf den Mund, und ihre Lippen öffneten sich erst leicht, dann weiter. Er schloss sie in die Arme, spürte ihren Körper an seinem. Während er sie küsste, spürte er, wie sie sich entspannte.
»Ich will dich«, sagte sie. Ihre Stimme war leise, erfüllt von Verlangen.
»Und du kannst mich doch haben.«
»Noch nicht.« Sie trat einen Schritt zurück, um ihn ansehen zu können. »Du bist so stark, aber ich glaube, du bist auch weich. Hier.« Sie legte die Hand auf sein Herz. »Stimmt das? Hast du ein weiches Herz?« Er wusste nicht recht, was er darauf sagen sollte, deshalb nickte er nur. Sie küsste ihn auf die Wange, ihre Lippen blieben einen Augenblick dort, dann drehte sie sich um und lief die Stufen hinauf. Ferris blieb stehen und schaute zu ihrer Wohnung hinauf, bis das Licht anging und er ihr Gesicht am Fenster sah. Als er schließlich in sein Auto stieg, fühlte er sich wie betäubt. Das lag zum Teil an der Flut von Gefühlen für Alice, die ihn völlig überwältigt hatte, vor allem aber brachte ihn das, was sie gesagt hatte, gehörig durcheinander. Er war nie auf den Gedanken gekommen, dass er ein weiches Herz haben könnte. Und er fragte sich, ob sie damit wohl recht hatte.
Amman
Ein paar Tage später traf Ed Hoffman in einem weißen Gulfstream-Jet, dessen einziges Kennzeichen eine Nummer hinten am Leitwerk war, in Jordanien ein. Mit seiner dunklen Sonnenbrille sah er aus wie ein Kasinobesitzer aus Las Vegas, der immer ein Bündel Hundertdollarscheine in der Hosentasche mit sich herumträgt. Ferris holte ihn vom Flughafen ab, aber Hoffman schickte ihn zurück in die Botschaft und ließ sich von einem Taxi in sein Hotel fahren. Nachdem er ein paar Stunden geschlafen hatte, aß er noch ein Kebab in seinem Lieblingsrestaurant, bevor er am frühen Abend weiter zur Botschaft fuhr. Dort ließ er Ferris in den abhörsicheren Konferenzraum rufen. Als Ferris eintraf, saß Hoffman am Tisch und rieb sich die Schläfen.
»Ich habe Kopfweh«, sagte er. »Wann werde ich endlich einmal einsehen, dass man in diesem Restaurant keinen Rotwein trinken darf?«
Ferris streckte ihm die Hand hin, aber Hoffman stand auf und umarmte ihn. »Na, wie geht’s Ihrem Bein?«, fragte er.
»Ganz gut. Ich muss natürlich immer noch Gymnastik machen, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Nur die Schuldgefühle wegen der
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