Der Mann, der niemals lebte
getan. Aber so ist es besser. Und du wirst deine Frau ja verlassen.«
»Stimmt. Ich will sie um die Scheidung bitten. Wenn ich das nächste Mal in Washington bin, werde ich mit ihr reden.«
»Du solltest dich wirklich scheiden lassen, Roger, wenn du so unglücklich bist. Nicht meinetwegen, sondern deinetwegen.«
»Jetzt bin ich glücklich.«
»Mag sein, aber längst nicht so glücklich, wie du gleich sein wirst.« Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn ins Schlafzimmer. Neben dem Bett stand eine einzelne Kerze. Sie musste sie bei ihrem anfänglichen Streifzug durch die Wohnung heimlich dorthin gestellt haben. Jetzt zündete sie sie an.
»Halt mich fest«, sagte sie.
Ferris strich ihr übers Haar, dann über die Lippen und zog sie an sich. Sie küssten sich lange und innig, und Alice machte sich an seinem Gürtel zu schaffen. Während sie seine Hose öffnete, schob er die Hände unter ihr Kleid. Das dünne Stückchen Stoff zwischen ihren Beinen schien bereits zu zerfließen. Als sie beide nackt waren, hob er sie sanft auf das Bett und betrachtete sie lange im Kerzenlicht. Ihre Wangen wirkten in dieser sanften, flackernden Beleuchtung glatt wie Alabaster, und sie ließ den Arm, den sie scheu über die Brust gelegt hatte, wieder sinken. Sie betrachtete die Narben an seinem Bein, die in dem schummrigen Licht wie kleine, sanfte Hügel aussahen.
Und dann gab sie sich ihm völlig hin, seinen Augen, seinen zärtlichen Händen, der Wärme seiner Haut an ihrer. »Ich will dich«, flüsterte sie voller Verlangen, umschloss ihn mit der Hand und führte ihn zu sich. Ferris wollte ganz langsam in sie eindringen, doch sie zog ihn tiefer in sich hinein. Ihre Bewegungen wurden schneller, sie rief laut seinen Namen, und noch ehe er selbst etwas sagen konnte, erreichten sie plötzlich gemeinsam den Höhepunkt. Er spürte, wie sie ihn eng und immer enger umschloss, dann verlor er sich in einem lustvollen Beben, das sie beide in den leeren Raum zu katapultieren schien. Hinterher legte er den Kopf an ihre Brust und lauschte dem Klopfen ihres Herzens.
Ein paar Tage später rief Hani Ferris zu sich in sein Büro. Ferris parkte den Wagen am Straßenrand und ging zu Fuß in das festungsartige Gebäude der Geheimpolizei, wo ihn zwei Unteroffiziere in die Mitte nahmen und die Treppe hinaufgeleiteten. Zum ersten Mal wurde er nicht zuerst ins Büro von Hanis Stellvertreter gebracht, sondern direkt zu ihm geführt. Ferris fragte sich, was los war. Er hatte schon seit Tagen nichts mehr von Hani gehört, und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass der Chef des Geheimdienstes verärgert war.
Als Ferris Hanis Büro betrat, sah er auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmte. Der Jordanier zeigte nichts von seiner üblichen Jovialität, und mit den dunklen Ringen unter den Augen und einem stoppeligen Dreitagebart sah er aus, als hätte er mehrere Nächte hintereinander nicht geschlafen. Hani bedeutete seinem Gast mit einer Handbewegung, sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch zu setzen und nicht wie sonst auf eines der Sofas. Als die Soldaten fort waren und die Tür geschlossen hatten, schwieg er noch einen weiteren Augenblick, als müsse er sich erst sammeln für das, was er Ferris mitzuteilen hatte.
»Mustafa Karami ist tot«, sagte er schließlich mit kalter Stimme. »Unser Mann in Berlin. Er wurde vor einer Woche ermordet.«
Hani sah sehr verärgert aus, und seine Stimme bebte förmlich vor Frustration, Kränkung und Bedauern darüber, dass all die vielen Mühen umsonst gewesen waren. Dabei trauerte er wohl weniger dem verlorenen Menschenleben nach als den vielen Jahren an Arbeit, die diese Operation gekostet hatte. Und außerdem würden durch das Scheitern dieser Aktion jetzt womöglich viele weitere unschuldige Menschen ums Leben kommen.
Ferris wusste nicht recht, was er sagen sollte. »Wer hat ihn getötet?«, fragte er schließlich.
»Einer seiner Kontaktleute bei der al-Qaida. Sie haben ihn in Madrid erwischt. Wir verstehen allerdings nicht, warum er überhaupt getötet wurde.« Der Jordanier sah Ferris direkt in die Augen. »Haben Sie vielleicht eine Erklärung dafür?«
Ferris dachte einen Augenblick zu lange nach. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte er.
»Sie haben nicht die leiseste Ahnung. Das ist mehr als ein simples Nein, und da drängt sich mir die Frage auf, warum sich jemand bemüßigt fühlt, so viele überflüssige Worte zu machen. Wieso sagt man zum Beispiel (beileibe nicht), wenn ein einfaches
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