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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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‹Nein› völlig ausreichend gewesen wäre? Das ist doch seltsam, finden Sie nicht?«
    »Meinetwegen, Hani, dann sage ich es Ihnen eben in einfachen Worten. Ich weiß nicht, wer Mustafa Karami ermordet hat. Bevor ich in Ihr Büro kam, wusste ich ja nicht einmal, dass er tot ist.«
    Doch Hani dachte noch immer über Formulierungen nach. »Bei uns im Arabischen klingt fast jede Äußerung ein wenig nach einer Lüge, wissen Sie das? Selbst dann, wenn jemand die Wahrheit sagt. Unsere Sprache ist für Poeten gedacht, nicht für Ingenieure. Das Englische ist da ganz anders. Viel einfacher, eine Sprache des ‹Ja› und ‹Nein›. Wenn man im Englischen etwas ausschmückt, dann hat das immer einen Grund. Sagt jemand zum Beispiel: (Im Ernst, Hani … › oder (Ehrlich gesagt, Hani … ›, dann habe ich immer den Verdacht, dass er lügt. Würde er die Wahrheit sagen, bräuchte er seine Aufrichtigkeit nicht noch zusätzlich zu unterstreichen. Er würde es einfach so sagen, wie es ist. Habe ich recht?«
    »Ja, Hani. Sie haben recht.«
    »Aber ich glaube Ihnen, dass Sie nicht wissen, warum Karami ermordet wurde. Wie sollten Sie auch? Ich weiß es ja selbst nicht.«
    »Danke.«
    »Wir werden es allerdings erfahren, mein Lieber. Haben wir nicht Glück? Sie und ich, wir beide werden herausfinden, warum Mustafa Karami jetzt tot ist.«
    »Und wie wollen wir das anstellen?« Ferris wurde nervös, sein Herz klopfte auf einmal wie wild.
    »Indem wir den Mann verhören, der ihn umgebracht hat. Die Spanier haben ihn in Madrid festgenommen und ihn uns überstellt. Er heißt Ziyad und ist schon seit fast einer Woche hier. Zurzeit befindet er sich im Gefängnis im Keller dieses Gebäudes.«
    »Im Palast der Gespenster«, murmelte Ferris, denn das war der Name, den die Jordanier dem Gefängnis des Geheimdienstes gegeben hatten. Man erzählte sich, dass niemand dieses Gefängnis so verließ, wie er es betreten hatte.
    »Was für ein alberner Name, mein lieber Ferris. Hier gibt es keine Gespenster, und die Knochen brechen wir den Leuten auch nicht. Das wissen Sie genau. Bei uns wird nicht gefoltert, denn die beste Verhörmethode ist immer noch die, bei der die Menschen von sich aus den Widerstand aufgeben. Wenn man zum Beispiel einen Scheich in die Zelle bringt, der aus dem Koran vorliest, hat das oft: eine sehr viel durchschlagendere Wirkung als alles, was man einem Menschen körperlich antun kann.«
    »Nicht, wenn man es eilig hat, an Informationen zu kommen.«
    »Da irren Sie sich, mein lieber Ferris. Gerade wenn man in Eile ist, muss man sich in Geduld üben. Und genau das habe ich mit Ziyad gemacht. Als wir ihn vor einer Woche hierhergebracht haben, hat er uns durch seine Kapuze entgegengeschrien, dass er niemals reden werde. Allah sei sein Zeuge, er würde eher auf den Bart des Königs scheißen, als uns auch nur ein einziges Wort zu sagen. Er hat nach uns getreten und gebrüllt wie am Spieß, um uns zu zeigen, wie hart sein Widerstand sein würde. Ich hatte sogar das Gefühl, als verlangte er geradezu danach, dass ich ihn schlage, nur damit er einen ordentlichen Adrenalinstoß bekommt. Aber ich bin einfach gegangen und habe kein Wort gesagt.«
    »Kein Wort, Hani?«
    »Kein einziges. Nur wenn die Gebetsstunde kam, habe ich laut gebetet. Am zweiten Abend ging ich wieder zu ihm hinein, und er war noch genau so wie am ersten, bloß ein wenig gedämpfter. Ich setzte mich hinter ihn ins Verhörzimmer und sah ihn über eine Stunde lang an. Von draußen hörte man Schreie, aber das ist einer unserer Tricks. Wir haben die Schreie auf Tonband aufgezeichnet. Ziyad fing an zu brabbeln und mir zu sagen, was für ein harter Bursche er sei. Er sagte, er sei froh, Karami getötet zu haben, denn Karami sei ein Verräter gewesen. Er sei wirklich froh, brüllte er unentwegt. Bestimmt wartete er darauf, jetzt wenigstens gefoltert zu werden, aber nichts geschah. Bevor ich ihn verließ, betete ich noch einmal. Aber zu ihm sagte ich wieder kein Wort.«
    »Er war enttäuscht. Sie haben ihn in seiner Ehre verletzt.«
    »Das stimmt genau, Roger. Hier spricht der Araber in Ihnen. Ziyad hielt sich für so wichtig, dass wir ihn grün und blau schlagen würden, um an seine Informationen zu kommen.
    Doch stattdessen ignorierten wir ihn. Das konnte er nicht verstehen. Es verletzte sein Ehrgefühl, wie Sie schon sagten. Gestern Abend bin ich abermals zu ihm gegangen und habe mich wieder hinter ihn gesetzt. Jetzt schrie er nicht mehr, im Gegenteil, er war so still,

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