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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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nicht angerufen. Ich war einfach zu nervös.«
    »Ja«, sagte Ferris. »Ich auch. Ist das jetzt gut oder schlecht?«
    »Keine Ahnung. Gut, glaube ich. Aber das werden wir wohl erst noch herausfinden müssen.«
    »Fein. Wann fangen wir damit an?«
    »Tja …« Sie schwieg kurz, als müsse sie tatsächlich darüber nachdenken. »Wie wäre es morgen Abend? Ich muss mich erst mal ausruhen. Der Mann neben mir hat den ganzen Flug von Boston bis London durchgeschnarcht. Und nach Schweiß gestunken hat er auch.«
    »Wann soll ich dich abholen?«
    »Irgendwie geht mir diese ständige Ausgeherei langsam auf die Nerven. Kannst du kochen?«
    »Naja. Nicht besonders gut.«
    »Macht nichts. Kauf uns ein Steak, zwei Kartoffeln und Rotwein, dann kriegen wir das schon hin. Machst du das? Und vielleicht noch ein paar grüne Bohnen, wenn es welche gibt. Oder Möhren. Okay?«
    Ferris versprach, alles zu besorgen, und legte glücklich auf. Die nächsten vierundzwanzig Stunden verbrachte er in einem Zustand seligen Verlangens und dachte dabei nicht nur daran, mit Alice zu schlafen, sondern freute sich auch ganz einfach darauf, dieses wunderbare, unergründliche Wesen wieder in seiner Nähe zu haben. Er beauftragte seine Haushälterin, die alten Zeitungen und den ganzen anderen Müll wegzuwerfen, der sich im Lauf der Zeit angesammelt hatte, und schickte sie dann los, um das Abendessen und eine halbe Wagenladung Blumen einzukaufen. Im Schlafzimmer stellte er kleine Teelichte auf, entschied dann aber, dass das übertrieben war, und räumte sie wieder weg.
    Alice kam eine halbe Stunde zu spät. Als Ferris ihr öffnete und sie sah, konnte er vor Bewunderung nur den Kopf schütteln. Ihr Gesicht strahlte vor Freude, und das blonde Haar leuchtete förmlich vor dem Hintergrund des bläulich schwarzen Abendhimmels.
    »Mein Gott, du bist so wunderschön«, sagte er.
    »Jetzt lass mich schon rein. Es ist verdammt kalt hier draußen.«
    Sie trat in die Wohnung, gab ihm einen Kuss und sagte: »Ich bin gleich wieder da. Ich muss mich erst mal umschauen.« Damit wanderte sie durch die Wohnung und schaute in jedes Zimmer. Das Schlafzimmer inspizierte sie besonders ausführlich. Dann kehrte sie kopfschüttelnd zu ihm zurück. »Lieber Himmel! Du musst ja ein richtig hohes Tier sein. So eine große Wohnung.«
    »Das ist eine Diplomatenwohnung. Beim Außenministerium gehen sie davon aus, dass die Leute Familie haben, deshalb sind die Wohnungen etwas größer.«
    »Etwas größer? Riesig, würde ich sagen. Ich erspare dir jetzt den Vortrag darüber, wie viele bedürftige Palästinenserfamilien hier Platz hätten. Also, los! Spiel mal den Gastgeber. Was gibt es zu trinken?«
    »Wie wär’s mit Champagner?« Sie nickte, und Ferris holte eine Flasche Dom Perignon. Er hatte sie am Morgen aus dem Vorrat genommen, den Alderson bei seiner überstürzten Abreise hinterlassen hatte. Alice betrachtete das Etikett.
    »Dom Perignon? Soll mich das jetzt beeindrucken? Es beeindruckt mich nämlich ganz gewaltig, das muss ich ehrlich sagen. Eine Frau traut keinem Mann, der billigen Champagner kauft. Wozu sollte das auch gut sein? Das wäre ja, als würde man sich als Frau billige Unterwäsche kaufen. Verstehst du, was ich meine? Ach, was frage ich überhaupt? Natürlich hast du keine Ahnung.«
    Ferris schenkte zwei Gläser ein, sie setzten sich damit auf das Sofa und leerten sie rasch, während Alice von ihrer Reise erzählte, von ihren Eltern, ihren Geschwistern, ihren Cousins und Cousinen. Ferris schenkte einmal und dann noch ein zweites Mal nach, und Alice redete immer weiter. Sie habe ihren Verwandten von Ferris erzählt, sagte sie, obwohl sie gar nicht recht gewusst habe, warum. Deshalb hätte sie ihn so dringend sehen wollen, als sie wieder in Amman war. Sie wollte begreifen, warum er ihr so gefehlt hatte.
    Ferris rückte auf dem Sofa näher heran und legte den Arm um sie. Sie ließ sich gegen ihn sinken, doch dann zog sie sich wieder zurück und sah ihn an.
    »Ich kenne dich, Roger. Das glaubst du mir jetzt nicht, aber ich kenne dich sehr gut. Du bist ein offener Mensch, aber du redest nicht über dich. Du bist mutig, aber vor irgendetwas hast du Angst. Du glaubst, du musst dich um alles kümmern. Dabei musst du das doch gar nicht. Heute Abend musst du einfach nur mit mir zusammen sein.«
    Ferris erwiderte nichts darauf. Er legte die Hand an ihr Gesicht und fuhr sanft: an den Konturen ihrer Wangen und Lippen entlang. Dann strich er ihr das Haar aus der Stirn. Es war

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