Der Mann, der niemals lebte
Grundstücksbegehung sollte möglichst bald vereinbart werden … Austausch der Kontaktdaten … weitere Unterlagen werden zugeschickt … und die Entscheidung musste bis Ende der Woche fallen. Es schien sich alles perfekt zusammenzufügen. Das Ganze schien wasserdicht und lückenlos, aber das war bei solchen Plänen immer so – bis sich dann die ersten Lücken auftaten.
Am folgenden Vormittag rief Ferris Omar Sadiki an. Er stellte sich als Brad Scanion vor, erklärte kurz, was für ein Unternehmen die Unibank war, informierte Sadiki dann über die Pläne für eine neue Zweigstelle und fragte, ob das Architekturbüro al-Fajr eventuell Interesse daran hätte, ein Angebot abzugeben.
»Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen«, sagte die zurückhaltende Stimme am anderen Ende der Leitung. »Wir arbeiten sonst nur für arabische Unternehmen.«
»Sie sind uns von unseren arabischen Geschäftspartnern wärmstens empfohlen worden.« Ferris las ihm eine kurze Liste arabischer Firmen vor, für die al-Fajr bereits gearbeitet hatte. Azhar hatte sie zusammengestellt, als er vor Wochen erstmals auf die Idee gekommen war, Sadiki für seine Zwecke einzusetzen. »Falls Sie ein Angebot abgeben möchten, würden wir Sie bitten, sich das Grundstück in Abu Dhabi einmal anzusehen. Wäre das machbar?«
»Möglicherweise. Wenn meine Vorgesetzten einverstanden sind.« Er war spürbar, aber keineswegs übertrieben vorsichtig. Im Nahen Osten kamen Geschäftsabschlüsse anfangs immer eher schleppend voran. Ferris musste eine persönliche Verbindung zu ihm herstellen, um weiter voranzukommen.
»Wer wäre denn mein Ansprechpartner bei al-Fajr, falls Sie sich zur Abgabe eines Angebots entschließen?«, fragte er.
»Das wäre ich, Sir«, antwortete Omar. »Ich bin für die Ortsbegehungen und die Kalkulation der neuen Projekte zuständig.«
Um nicht zu eifrig zu klingen, erwiderte Ferris mit leisem Bedauern in der Stimme, dass er eigentlich gehofft habe, der Geschäftsführer der Firma werde sich persönlich um sie kümmern. Schließlich bot er Sadiki aber doch an, ihm umgehend per Fax oder E-Mail genauere Informationen zu dem Projekt zuzusenden. Omar bat um ein Fax und erhielt die Zusicherung, dass er die Unterlagen noch vor Büroschluss aus Genua erhalten werde. Ferris sagte, er brauche eine Antwort innerhalb der nächsten fünf Tage. Falls al-Fajr an dem Auftrag interessiert sei, wolle er dann möglichst zeitnah einen Termin zur Grundstücksbegehung in Abu Dhabi vereinbaren.
»Darf ich Sie noch fragen, welches Honorar Sie für dieses Projekt vorgesehen haben?«
Ferris nannte eine ansehnliche Summe, die etwas höher war als für ein solches Projekt normalerweise üblich, aber doch nicht so übertrieben großzügig, dass es Verdacht erregt hätte.
Schließlich versprach ihm Omar Sadiki, sich bis Ende der Woche zu melden.
Beim Auflegen lächelte Ferris. Das Gespräch war glatt verlaufen, und das Einzige, was ihn nervös machte, war die Tatsache, dass es vielleicht ein wenig zu glatt über die Bühne gegangen war.
Über einen neu eingerichteten Kommunikationskanal, der nicht über die Nahost-Abteilung lief, nahm er Kontakt mit Hoffman auf. Der Chef gratulierte ihm und fragte, wo er denn untergebracht sei. Ferris gab ihm den Namen seines Hotels durch. »Checken Sie regelmäßig Ihre Mails«, befahl Hoffman.
Sadiki brauchte nicht lange. Schon nach zwei Tagen, am Mittwoch, rief der Architekt zurück, um Ferris zu sagen, dass al-Fajr ein Angebot für das Unibank-Projekt abgeben wolle. In seiner Stimme lag ein neuer, fast schon enthusiastischer Ton, als er Ferris vorschlug, einen Termin für ein Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu vereinbaren. Ferris konsultierte seinen nicht vorhandenen Terminkalender und schlug dann den kommenden Donnerstag vor, worauf Sadiki seinen echten Terminkalender konsultierte und fragte, ob sie sich vielleicht auch einen Tag früher oder drei Tage später treffen könnten. Offensichtlich wollte er, ganz frommer Muslim, das islamische Wochenende zu Hause verbringen. Schließlich einigten sie sich darauf, sich genau eine Woche später in Abu Dhabi zu treffen.
Das einzig Merkwürdige an dem Gespräch war, dass der Jordanier offenbar die Identität seines neuen Kunden überprüfen wollte. Er bat Ferris, ihm seinen Namen ganz langsam zu buchstabieren: S-C-A-N-L-O-N und fragte ihn außerdem, von wo in den USA er denn stamme. Ferris hatte fast den Eindruck, dass Sadiki ihn so lange wie möglich
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