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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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Familie. Als Ferris ihm erzählte, er sei verheiratet, habe aber keine Kinder, sah ihn der Jordanier mitleidig an. Doch schließlich kam er auf das zu sprechen, was ihm eigentlich auf dem Herzen lag.
    »Warum wollen Sie, dass gerade al-Fajr diese Filiale für Sie baut?«, fragte er. »Wir sind Spezialisten für Moscheen, nicht für Bürogebäude.«
    Ferris hatte diese Frage bei seinen Planungen mit Azhar vorausgesehen, und nun erläuterte er, dass das Bauland in einer stark islamisch geprägten Gegend liege, in der nur sehr wenige westliche Geschäftsleute wohnten. Jetzt, da in unmittelbarer Nähe das hochmoderne Emirates Palace Hotel fertiggestellt worden sei, werde das Viertel zunehmend vornehmer, aber gerade deshalb sei die Unibank sehr daran interessiert, den islamisch geprägten Charakter dieses Stadtteils zu erhalten. Und deshalb habe man ihnen al-Fajr wärmstens empfohlen.
    Sadiki pries Allah und murmelte ein paar bescheidene Dankesworte auf Arabisch. Sichtlich zufrieden mit Ferris’ Antwort, lehnte er sich zurück und säuberte seine Zähne mit einem Zahnstocher. Er war sehr viel umgänglicher, als Ferris erwartet hatte.
    Ferris’ falscher Schnurrbart fing an zu jucken, und er wäre gerne zurück in sein Hotel gegangen, aber er hatte noch einiges zu erledigen. Als er dem Jordanier anbot, ihm den Bauplatz zu zeigen, willigte dieser begeistert ein und erklärte, er habe extra für diesen Zweck eine Digitalkamera und seinen Skizzenblock mitgebracht. In Ferris’ Mietwagen fuhren sie die Bainunastraße entlang, bogen nach links in die Scheich-Zayed-der-Erste-Straße ein und hielten vor einem Bauzaun, auf dem in großen Lettern »Unibank« stand. Die CIA-Agenten in Abu Dhabi hatten ganze Arbeit geleistet.
    Am nachmittäglichen Himmel hing ein milchiger Dunstschleier, der am Horizont hellrosa war und mit zunehmender Höhe in ein zartes Blassblau überging. Der von der Sonne aufgeheizte Asphalt war weich und nachgiebig, und Ferris’ Kopfhaut juckte unter der blonden Perücke. Ein paar Mercedes und BMWs fuhren mit geschlossenen Fenstern die Straße entlang, aber ansonsten hielten fast alle Einwohner Abu Dhabis ihr Mittagsschläfchen.
    Sadiki ging mit Ferris das Grundstück ab, machte Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln und schrieb sich diverse Maße auf. Er brauchte fast eine Stunde dazu, und Ferris hatte fast das Gefühl, als ob auch der Jordanier seine ganz persönliche Show abziehe. Als er schließlich fertig war, setzten sie sich in den Wagen, drehten die Klimaanlage bis zum Anschlag auf, und der Jordanier begann, Ferris eine Reihe von Fragen zu stellen. Wie viele Angestellte sollten in dem Bürogebäude arbeiten? Wie   viele Kunden erwartete man pro Tag? Wie viele Stockwerke sollte das Gebäude haben? Hatte die Unibank sich bereits nach einem Bauunternehmer vor Ort umgesehen? Gab es schon eine Baugenehmigung? Die Antworten auf die meisten dieser Fragen war Ferris mit Azhar in einem ausführlichen Briefing durchgegangen und hatte sie auswendig gelernt.
    Danach dachte der Jordanier ein Weilchen über die Sache nach, und als Ferris ihm sagte, dass die Unibank eine Kaufoption für das Gelände habe, die nächste Woche ausliefe, erklärte er sich bereit, bis zum kommenden Donnerstag um zwölf Uhr mittags – bevor das islamische Wochenende begann – einen Kostenvoranschlag und erste Entwurfsskizzen vorzulegen. Ferris fragte Sadiki, ob er ihn dazu in Beirut treffen könne, wo er nächste Woche zu tun habe, und der Jordanier war einverstanden.
    Nun hatte Ferris nur noch eine Bitte an Sadiki. Er solle doch ins Büro des hiesigen Anwalts der Unibank kommen und dort einen Vorvertrag unterschreiben. Das sei eine reine Formalität, auf der man bei einem neuen Dienstleister allerdings leider bestehen müsse. Sadiki wirkte zunächst nicht sonderlich begeistert, aber nachdem er über sein Handy Rücksprache mit Amman gehalten hatte, willigte er ein. Ferris entschuldigte sich dafür, dass sich das Büro des Anwalts im direkt neben dem alten Souk gelegenen Al-Markaziyah-Viertel befand und nicht in einem der neueren Stadtteile, aber Sadiki entgegnete mit einem Achselzucken, das sei ihm völlig egal.
    Der Anwalt war ein älterer Mann mit weißem Bart, der den für diese Region typischen weißen Thoub und darüber einen mit Goldfäden bestickten schwarzen Umhang trug. Nachdem er Sadiki einen Tee angeboten hatte, erklärte er ihm auf Ara bisch, was er unterschreiben müsse. Die Formalität war rasch erledigt, und falls Sadiki

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