Der Mann, der niemals lebte
und den Golf lag. Danach zeigte er Sadiki einen Plan des Grundstücks sowie Bilder von einigen anderen Regionalbüros der Unibank. Auch Sadiki öffnete seine Aktentasche und legte Ferris Ansichtsmaterial über seine Firma und deren Arbeit vor.
Ferris fiel auf, dass Sadiki auch seinen Laptop dabeihatte. Das war ungünstig, es würde die Sache unnötig verkomplizieren.
Der Jordanier begann seine Präsentation zunächst ein wenig stockend, aber dann gewann er an Selbstvertrauen und zeigte Ferris Bilder von Gebäuden, die al-Fajr entworfen hatte. Ein Einkaufszentrum in Fahaheel in Kuwait, zwei Bürogebäude in Amman, ein Studentenwohnheim für die Technische Universität im jordanischen Irbid. Es war solide, wenn auch ein wenig uninspirierte Architektur. Sadiki hatte noch einen zweiten Ordner mit Fotos dabei, und Ferris fragte, ob er den auch sehen dürfe. Es war ein Portfolio von Sakralbauten, die al-Fajr entworfen hatte: zwei kleine Moscheen in den palästinensischen Städten Halhul und Dschenin im Westjordanland, eine in der jordanischen Stadt Salt sowie eine größere in Sanaa im Jemen. Ferris erinnerte sich daran, dass er während seines Einsatzes im Jemen die Moschee in Sanaa im Rohbau gesehen hatte. Die letzten beiden Fotos zeigten große Moscheen in den saudi-arabischen Städten Taif an der Küste des Roten Meers sowie in Hafr Al-Batin nahe der jordanischen Grenze.
»Das sind zwei sehr schöne Moscheen«, sagte Ferris. »Hat die saudische Regierung sie in Auftrag gegeben?
»Nein, wir haben sie für eine private islamische Wohltätigkeitsorganisation gebaut«, erwiderte Sadiki. »Moscheen sind für die Gläubigen da, nicht für die Politiker.«
Ferris nickte respektvoll, obwohl er innerlich grinsen musste. Langsam begann er zu begreifen, weshalb Azhar Omar Sadiki für die Starrolle in ihrem Verschwörungsstück ausgewählt hatte. Er stand offenbar mit dem Netzwerk islamistischer Wohltätigkeitsorganisationen in Verbindung, das die al-Qaida in ihrer Anfangszeit unterstützt hatte. Bei genauerem Hinsehen wies er alle Merkmale eines Angehörigen einer Untergrundorganisation auf. Als Sadiki mit der Präsentation fertig war und das Portfolio wieder zuklappte, sah Ferris, dass das Firmenlogo aus einem roten Halbmond und einem tiefblauen Dreieck bestand, unter dem ein Slogan verkündete: »Die Lösung für islamisches Design«.
Als Sadiki auf die Toilette ging, um sich vor dem Essen die Hände zu waschen, schaute Ferris tief in Gedanken versunken aus dem Fenster. Durch die Scheibe konnte er die weißen Rümpfe der großen, im Sonnenlicht blitzenden Jachten sehen, die in der kleinen Marina hinter der Mole lagen. Obwohl jede von ihnen zig Millionen Dollar gekostet haben musste, liefen sie nur selten aus. Wenn es hochkam, dann nahm so ein Wüstenprinz alle paar Monate ein paar hübsche Frauen aus dem Westen mit auf eine Vergnügungsfahrt, damit sie sich zum Ergötzen seiner Geschäftspartner oben ohne in der Sonne aalen konnten. Die Marina gehörte mit zur Show und war Teil des großen Vergnügungsparks, in den die reichlich sprudelnden Petrodollars das ganze Land verwandelt hatten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass die älteren Männer in diesem Restaurant als Kinder noch mit ihren Kamelen und Schafen ein hartes Leben draußen in der Wüste geführt, nach Perlen getaucht oder auf ihren Daus Waren nach Persien geschmuggelt hatten. Noch in den Dreißigerjahren waren die Emirate so arm gewesen, dass der Aufstieg der japanischen Zuchtperlenindustrie fast das wirtschaftliche Aus für sie bedeutet hätte.
Während Ferris auf sein Essen wartete, dachte er an Alice und daran, wie gerne er jetzt mit ihr hier in diesem Lokal säße. Er sehnte sich nach dem Klang ihrer Stimme, nach ihrem Lachen, nach einer Berührung ihrer Hände. Auf einmal fühlte er sich sehr einsam und fragte sich, was sie wohl sagen würde, wenn sie ihn in dieser Verkleidung sähe. Es wäre schön, wenn sie über das Absurde an dieser Situation lachen könnte, aber er befürchtete, dass sie ihn nur für einen Schwindler halten würde, der in einer Welt aus Lügen lebte. Und wie konnte ein Schwindler sie jemals glücklich machen?
Der Ober brachte ein traditionell arabisches Mezzeh aus Kichererbsen und Auberginen, gefüllten Kibbeh, Tabouleh und Halloumi-Käse, gefolgt von gegrilltem Hammour aus dem Golf und gegrillten Shrimps. Ferris plauderte ein wenig mit seinem Gast, und wenn er schwieg, stellte ihm Sadiki höfliche Fragen nach seiner
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