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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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finde ich, dass wir uns so bald wie möglich unterhalten sollten. Ja, das sollten wir unbedingt. Frühstücken wir doch übermorgen zusammen. Ein Geschäftstermin zum Frühstück, das müssten Sie als Amerikaner eigentlich schätzen. Treffen wir uns um halb neun im Offiziersclub am Jebel Amman. Gleich neben dem British Council. Sie wissen, wo das ist? Ich bin überzeugt, dass uns dort um diese Zeit niemand stören wird. Araber verabscheuen Besprechungen am frühen Morgen. Und jetzt geben Sie mir bitte noch einmal meinen Beamten.«
    Ferris gab den Hörer zurück, und der Anführer der kleinen Gruppe von Sicherheitsleuten lauschte unterwürfig den Instruktionen des Paschas. Nachdem sie Ferris so viele Unannehmlichkeiten bereitet hatten, überschlugen sie sich nun plötzlich vor Gastfreundschaft, was fast noch ein wenig enervierender war als die bisherige Verzögerung. Man komplimentierte ihn in eine Art VIP-Lounge und servierte ihm ein weiteres Mal Tee und Süßes, während jemand sein Gepäck holte. Und schließlich geleitete eine Eskorte aus zwei Polizeiwagen und einem halben Dutzend Motorrädern Ferris’ Geländewagen mit blinkenden Blaulichtern und laut heulenden Sirenen in die Innenstadt von Amman. Nicht gerade die beste Art für den Leiter der örtlichen CIA-Niederlassung, auf seinen Posten zurückzukehren, aber offenbar wollte ihm Hani gerade das damit demonstrieren: Ob er nun am Flughafen festgehalten oder verhätschelt oder von der Polizei mit großem Trara in die Innenstadt gebracht wurde – in Jordanien hatte Hani die Macht.
    Als sie vom Flughafen abfuhren, war es bereits halb zwei und damit eigentlich viel zu spät, um noch bei Alice anzurufen, aber Ferris tat es trotzdem. Er hatte sich tags zuvor schon kurz aus Abu Dhabi bei ihr gemeldet, um ihr zu sagen, dass er bald zurück sein werde, doch seine tatsächliche Ankunft sollte eine Überraschung sein. Er hatte sie aus dem Tiefschlaf geweckt, und so war ihre erste Reaktion ganz spontan und unbedacht.
    »Hallo, Liebling«, sagte sie. »Wo bist du denn?«
    »Liebling«, wiederholte Ferris. »Ich bin in Amman. Sie haben mich endlich wieder nach Hause kommen lassen.«
    »Das ist schön – wer immer ‹sie› auch sind. Wie spät ist es denn? Wo bist du?« Sie war noch nicht ganz wach.
    »Gleich zwei Uhr morgens. Ich bin auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt. Kann ich vorbeikommen?«
    »Jetzt? Auf keinen Fall.«
    »Du fehlst mir.«
    »Du fehlst mir auch, Roger, aber es ist mitten in der Nacht, und du warst fast drei Wochen weg. Da muss ich mir zumindest die Zähne putzen. Sagen wir doch morgen, zum Abendessen bei mir.«
    »Ich liebe dich«, sagte Ferris. Eigentlich hatte er das gar nicht sagen wollen. Es kam einfach so aus ihm heraus.
    »Hmm«, machte sie. »Das sehen wir dann.«
     
    Die Kollegen in der Botschaft waren froh, wenn auch etwas überrascht, Ferris wiederzusehen. Als er so plötzlich verschwunden war, hatte sich das Gerücht verbreitet, er sei ausgewiesen worden, genau wie sein Vorgänger Francis Alderson. Einzig der Botschafter, dem die guten Beziehungen des CIA- Büros zum Königshaus ohnehin ein Dorn im Auge waren, schaute ein klein wenig enttäuscht drein, als Ferris sich bei ihm zurückmeldete. Für seinen Stellvertreter, der in seiner Abwesenheit die Geschäfte geführt und wohl gehofft hatte, dass er das Amt künftig ganz übernehmen dürfe, ließ sich Ferris eine Lösung einfallen, mit der sie beide zufrieden sein konnten: Er erklärte ihm, dass er die Zweigstelle in den nächsten Monaten kommissarisch leiten dürfe, da Ferris selbst ohnehin viel unterwegs sein würde. Er durfte die Mietverträge für die sicheren Häuser unterschreiben, die Delegationen der Geheimdienstkomitees empfangen und die Personalbögen der Agenten aktualisieren, kurz: Er blieb de facto der Leiter der Dienststelle. Ferris behielt sich nur eines vor: den Kontakt zu Hani Salaam. Der Stellvertreter, mit ganzem Herzen Bürokrat, war mit diesem Arrangement mehr als zufrieden.
    In der Botschaft herrschte merklich Nervosität. Während Ferris’ Abwesenheit waren neue Sicherheitsbestimmungen eingeführt worden, die es den Botschaftsangestellten in vielen Teilen der Stadt verboten, ohne Geleitschutz unterwegs zu sein. Militärangehörige durften sich in der Öffentlichkeit nicht mehr in Uniform zeigen, und für die Fahrten zwischen der eigenen Wohnung und der Botschaft musste jeden Tag eine andere Strecke gewählt werden, wenn man nicht gleich von einem gepanzerten

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