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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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dabei misstrauisch geworden sein sollte, ließ er es sich nicht anmerken. Aber wieso sollte er auch? Er konnte schließlich nicht wissen, dass Adnan Masri zu den Geldwechslern gehörte, die für Azhars Netzwerk islamistische Untergrundkämpfer mit finanziellen Mitteln versorgten, er konnte nicht wissen, dass sein Gespräch mit dem Anwalt von einer verstecken Kamera aufgenommen wurde, und er konnte auch nicht wissen, dass die Bilder dieser Kamera schon bald dem Geheimdienst der Vereinigten Arabischen Emirate zur Verfügung gestellt werden würden. Und eines davon würde schließlich auch auf dem Schreibtisch eines Maulwurfs landen, den die al-Qaida in den Geheimdienst der Emirate eingeschleust hatte, damit er sie rechtzeitig vor Aktionen gegen sie warnte. Der Mann würde das Foto unverzüglich weiterleiten, und die al-Qaida würde erfahren, dass ein muslimischer Bruder von der Überwachungskamera eines gegnerischen Geheimdienstes erfasst worden war.
    Von alledem ahnte Sadiki natürlich nichts.
     
    Ferris dehnte das Gespräch in Masris Büro so lange wie möglich aus, bevor er sich von dem jordanischen Architekten verabschiedete und ihm einen sicheren Heimflug für den nächsten Tag wünschte. Er wollte dem Team, das während Sadikis Abwesenheit dessen Hotelzimmer durchsuchte, möglichst viel Zeit geben, seine Arbeit zu Ende zu bringen. Die Spezialisten der CIA kopierten dort alles, was sie finden konnten: Terminkalender, Adressbücher und jedes Fitzelchen Papier in den Taschen von Sadikis Kleidung.
    Weil der Architekt seinen Laptop mitgenommen hatte, musste das Team sich allerdings noch etwas einfallen lassen, um an die darauf gespeicherten Daten zu kommen. Um drei Uhr früh löste einer von Hoffmans Leuten den Feueralarm des Hotels aus, und der schlaftrunkene Jordanier musste zusammen mit den anderen Gästen nach unten in die Lobby gehen, wo sie vom Personal betreut wurden. Eine Viertelstunde später lag er wieder in seinem Bett – genügend Zeit für die Spezialisten der CIA, die im Zimmer gegenüber gewartet hatten, um den gesamten Inhalt seiner Festplatte zu kopieren. Nun hatten sie seine E-Mails, seine persönlichen Dateien, die Liste von frommen Muslimbrüdern, denen er Grußkarten zum Eid al-Fitr am Ende des Ramadan schickte, sowie die Namen aller Mitglieder der Ikhwan Ishan, der erleuchteten Bruderschaft – offenbar ein Studienkreis von Gläubigen in seiner Moschee. Und als der Morgen dämmerte, hatten die Männer und Frauen in Mincemeat Park genau das zusätzliche Material, das sie zur Vollendung ihrer perfekten Illusion noch brauchten.

 
Amman         
    Ferris Rückflug von Abu Dhabi verzögerte sich wegen eines Sandsturms, und so war es schon nach Mitternacht, als er endlich auf dem Queen-Alia-Flughafen landete. Normalerweise wurde er einfach durchgewinkt, wenn er an der Passkontrolle seinen Diplomatenpass vorzeigte, doch diesmal war es anders. Man bat ihn – ausgesprochen höflich natürlich – zu warten und bewirtete ihn in einem schäbigen Warteraum mit Tee und Süßigkeiten, während ein Beamter des GID wie wild herumtelefonierte. Ferris protestierte lauthals: Sein Pass war in Ordnung, das Visum gültig, er sollte eigentlich ohne Schwierigkeiten einreisen können. Er wollte Alice anrufen und ihr sagen, dass er wieder da war, aber der Beamte ließ nicht mit sich reden und bedeutete Ferris nur mit Daumen und Zeigefinger, sich zu gedulden: schway, schway – langsam, langsam, eine typisch arabische Geste. Eine halbe Stunde später klingelte schließlich das Telefon, und nach einem gedämpften Wortwechsel reichte der Beamte Ferris den Hörer. Es war Hani.
    »Mein lieber Roger, ich möchte Sie hiermit persönlich wieder in Jordanien willkommen heißen. Es freut mich ganz außerordentlich, dass Sie sich entschlossen haben, in Ihre wahre Heimat zurückzukehren.«
    »Vielen Dank, Hani Pascha. Ich fürchte nur, Ihr Empfangskomitee hier am Flughafen war nicht darüber informiert, dass ich ein so gerngesehener Gast bin. Man hält mich hier seit dreißig Minuten fest. Dabei will ich nur nach Hause und schlafen.«
    »Nehmen Sie es als Kompliment. Wir schikanieren nur die wirklich wichtigen Leute. Alle anderen … wen interessieren die schon? Übrigens ist das alles einzig und allein meine Schuld. Ich wollte Sie persönlich willkommen heißen, und wenn es nicht so spät wäre und ich nicht so charmanten Besuch bei mir hätte, würde ich jetzt glatt noch hinaus zum Flughafen kommen. Nichtsdestotrotz

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