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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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Faust.
    Sie wollte es plötzlich nicht mehr.
    »Herr im Himmel, da macht aber jemand ordentlich Feuer!« Sid war aufgestanden und ans Fenster getreten. Er deutete mit dem Finger nach Südosten, wo eine dichte Rauchwolke über den Dächern der Häuser am Broadway hing. »Das muss fast beim Fluss sein, irgendwo unterhalb vom Lovers’ Leap.«
    Tom trat neben ihn. Von der Straße her drangen aufgeregte Stimmen zu ihnen. Er blinzelte, und die Kehle schnürte sich ihm zu. »Ich weiß, was da brennt«, sagte er mit tonloser Stimme.
    Huck!
    ~~~
    Das Gefängnis stand lichterloh in Flammen.
    Tom rannte durch die Menge der Schaulustigen. Ein Dutzend Bewohner, darunter einige Kinder, hatten sich vor den Brettern versammelt, die über den Sumpf zum Gefängnis führten, und betrachteten das Feuer wie ein Jahrmarktsspektakel. Jemand rief halbherzig nach der Feuerwehr, ein paar Männer kamen mit Wassereimern angerannt, aber das wäre angesichts der hoch auflodernden Flammen ungefähr so wirkungsvoll wie eine Handvoll Kieselsteine als Damm gegen eine Flut.
    Das Schilf hatte Feuer gefangen, ebenso die Haselnussbüsche, die um das Gefängnis herum wuchsen. Eine dichte Wand aus Flammen hüllte den Backsteinbau ein, leckte über die Tür und über das Dach aus Holz. Das Knistern war ohrenbetäubend, und der einsetzende Wind trieb Funken und schwarze Wolken in die Stadt. Das Schlimmste aber war, dass Tom keine Schreie aus dem Gefängnis hörte. War Huck ohnmächtig? Oder schon erstickt?
    Jim Hollis stand an den Bohlen und stützte sich auf sein Gewehr, als wollte er sichergehen, dass niemand dem Feuer zu nah kam. Als Tom auf ihn zurannte, drehte Jim Hollis sich um. Er grinste. »Na, Tom. Auch ein bisschen die Hände wärmen?«
    »Wer hat das getan?«
    »Was weiß denn ich? Was willst du jetzt tun?«
    »Gib mir den Schlüssel, Jim, und dann geh mir aus dem Weg!«
    »Hab den Schlüssel nicht hier, und die Tür brennt schon längst, du Schlaumeier! Spiel jetzt bloß nicht den Helden.«
    »Geh mir aus dem Weg, Jim! Wir müssen Huck da rausholen!«
    »Das Feuer erspart uns schon die Verhandlung, Tom. Huck bekommt nur, was er verdient, also –«
    Toms Schlag war kurz und trocken. Er traf Hollis am Jochbein, und der Hilfssheriff sank stöhnend zu Boden. Tom sprang über ihn hinweg und rannte über die Bohlen auf das brennende Gefängnis zu. Hollis schrie ihm etwas nach, aber Tom hörte ihn schon nicht mehr. Die Hitze hüllte ihn ein, Funken schwebten vom Himmel auf ihn herab wie teuflische Glühwürmchen.
    In Toms Kopf zuckten Bilder aus der Scheune in Bowling Green auf.
    Sie haben genau vier Minuten, Sawyer.
    Tom zweifelte keine Sekunde daran, dass es Brandstiftung war. Aber wer hatte das Gefängnis angezündet? Hollis? Im Laufen zog er sein Jackett aus, tauchte es kurz in die brackigen Pfützen des Sumpfes und legte es sich dann über die Schultern. Dichter Rauch hüllte ihn ein, und er versengte sich die Haare, als er sich an den knisternd brennenden Haselnusssträuchern vorbeischob und schließlich vor der lodernden Tür stand.
    »Huck?«
    Tom schrie, aber es kam keine Antwort. Seine Wangen brannten, und der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Er trat mit dem Fuß gegen die Tür, aber noch hielten die massiven Eichenbretter stand. Er fluchte und schob sich dicht an der Mauer des Gefängnisses entlang um das Gebäude herum, bis er zu dem vergitterten Fenster gelangte. Er trat in Scherben. Die Reste einer zerbrochenen Whiskeyflasche lagen auf dem Boden. Der Brandsatz?
    Die Hitze war unerträglich, Tom hatte das Gefühl, als würde er sich an einen glühenden Ofen schmiegen, als er durch das Gitter spähte. Dichter Rauch hing in der Zelle wie Nebelschwaden; an manchen Stellen war das Dach bereits eingestürzt, Balken und brennende Latten waren heruntergefallen, bedeckten den Boden mit Flammen und Glut. Dicht bei den Gitterstäben lag ein Körper. Reglos.
    »Huuuck!«
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er glaubte, Huck habe sich ganz leicht bewegt. »Huuuck!«, schrie er noch einmal, dann hustete Huck plötzlich, sein ganzer Körper zuckte.
    Toms Augen tränten vom Rauch. Wie zum Teufel sollte er da hineinkommen? Wie zum Teufel sollte er Huck herausholen? Er hatte nicht mehr viel Zeit, bis Huck ersticken würde. Über das Dach? Ausgeschlossen.
    »Halt durch, Huck!« Tom rannte zurück zur Eingangstür, zog seinen Colt, betete, dass die Querschläger ihn nicht treffen würden, und feuerte zwei Schüsse auf das Schloss ab. Das Metall

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