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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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die Erde vor Tom spritzte auf.
    »Wir müssen hier weg, Huck! Um die Ecke!«
    Sie krochen auf dem Boden weiter, um das Gefängnis herum zur Rückseite des Gebäudes, wo die Zellenfenster waren. Auch hier brannten die Büsche und die niedrigen Bäume bereits. Tom deutete auf eine schmale Lücke zwischen zwei Haselsträuchern, die in Flammen standen. »Da! Da müssen wir durch!«
    Huck stöhnte vor Schmerz. Er rollte sich auf den Rücken, fasste sich an den Bauch. Sein Hemd verfärbte sich rot. Die Wunde war wieder aufgegangen. »T-Tom. Ich schaff d-das nich’.«
    »Halt die Klappe, Huck! Wenn wir hierbleiben, legt der Dreckskerl uns um! Los, komm!«
    Er packte Huck am Kragen und zog ihn vorwärts, mitten hinein in das Feuer. Das Prasseln der Flammen übertönte jedes andere Geräusch. Funken stoben umher, fraßen sich in Toms Nacken und in seine Wangen, und er spürte, wie seine versengten Haare sich kräuselten. Huck stolperte hinter ihm her, kaum in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch Toms Griff war eisern.
    Wieder ein Schuss, der knapp neben ihnen durch die brennenden Sträucher pfiff.
    »Er kommt hinter uns her! Los, da lang!« Tom deutete unbestimmt in den Rauch und schob Huck durch das dichter werdende Unterholz am Fuß des Lovers’ Leap auf das Flussufer zu. Sie brachen durch die letzten brennenden Büsche, der Rauch hüllte immer noch alles ein, aber die Flammen züngelten hier nur am Boden. Huck keuchte und hustete, doch Tom war unerbittlich und blieb erst stehen, als sie durch die Bäume das Flussufer sehen konnten.
    Sie waren am südöstlichen Ende der Stadt, dort, wo der Mississippi und der Wald an die letzten Scheunen grenzten.
    Erschöpft beugte Tom sich vor, stützte die Hände auf die Oberschenkel und rang nach Luft. Huck hatte sich auf den Boden fallen lassen, kauerte auf allen vieren und übergab sich. Heimchen zirpten aufgeregt, so als würden sie das nahende Feuer spüren.
    Angespannt spähte Tom durch die Bäume zurück in das tosende Inferno hinter ihnen. Von der Stadt her hörte er Schreie und die Glocke der Feuerwehr. Griffen die Flammen auf den Ort über? Er kniff die Augen zusammen, suchte nach einer Bewegung zwischen den Bäumen, nach einem Aufblitzen des Gewehrlaufs. War der Kerl immer noch hinter ihnen her? Anzunehmen.
    Tom wandte den Kopf zum Mississippi. Das Ufer war hier flach, Weiden wuchsen im Wasser, und die ausladenden Äste schaukelten in den sanften Wellen. Wolken von Mücken hingen in der Luft. Es roch nach Krabben und Schwemmholz, das in der Sonne faulte. Zwischen zwei mächtigen Stämmen gab es einen kleinen Steg. Drei Ruderboote waren dort vertäut. Er legte Huck die Hand auf die Schulter. »Kotzen kannst du später, Hucky. Wir müssen hier weg.«
    Tom half ihm auf und wollte ihn zu den Booten ziehen, doch Huck hielt ihn fest. »W-warte! Wo willst du hin?«
    »Weg! Irgendwo dort lauert dieser Bastard mit seinem Gewehr, oder er ist schon unterwegs zu uns.«
    Tom deutete in Richtung des Gefängnisses, doch Huck schüttelte energisch den Kopf. »Das sieht aus, als würden wir abhauen, Tom! Der Sheriff wird dich auch einlochen, wenn sie uns finden!«
    »Der Sheriff wird mich sowieso einlochen, weil ich seinen Mann niedergeschlagen habe. Auf so eine Gelegenheit hat Joe bloß gewartet. Und der Kerl, der auf uns geschossen hat, will nicht, dass ich herausfinde, wer Polly umgebracht hat, und er will verhindern, dass du beim Prozess aussagst, wie es wirklich war. Er wird uns umlegen, ob wir in den Ort zurückgehen oder nicht. Jetzt komm!«
    Ohne Hucks Antwort abzuwarten, zog Tom ihn das kurze Stück zum Ufer hinunter und schob ihn in eines der Boote. Er machte das Seil los, mit dem es an einem morschen Pfahl festgebunden war, und sprang ins Wasser. Keuchend schob er das Boot in die sanften Wellen des Flusses hinein, bis er fast hüfthoch im Wasser stand, dann stemmte er sich hoch und ließ sich über die Seitenwand in das Boot fallen. Sein Herz schlug wie eine Dampframme gegen seine Brust.
    Die Strömung erfasste sie und zog das Boot rasch in die Mitte des braunen Flusses. Tom spähte über die Seitenwand zurück zum Ufer, versuchte zu erkennen, ob der Mörder ihnen gefolgt war. Über den Bäumen stieg der Rauch in den von dunklen Wolken bedeckten Himmel, das Läuten der Glocke und die Schreie aus dem Ort verhallten langsam. Am vorbeiziehenden Ufer war niemand zu sehen.
    Huck blickte über den Mississippi und zu den Inseln, die vor ihnen flussabwärts lagen. »Wo

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