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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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splitterte. Tom trat so kräftig zu, wie er konnte, und das Türblatt knirschte, und ein Riss bildete sich. Doch die Tür hielt.
    Tom starrte auf die Wand aus Feuer vor sich, dann nahm er drei Schritte Anlauf und warf sich mit seinem ganzen Gewicht seitlich gegen das brennende Holz. Es splitterte, und Tom fiel mit der Tür nach innen.
    Der Schmerz in der Schulter nahm ihm den Atem, Funken stoben ihm ins Gesicht, versengten ihm die Wangen und die Nase. Das Türblatt hing noch halb in den Angeln, halb lag es zerschmettert auf dem Boden. Beißender Rauch quoll Tom entgegen und füllte seine Lungen, er hustete und konnte kaum mehr etwas sehen. Flammen züngelten auf seinem Jackett, und Tom schlug sie aus, während er sich aufrappelte und durch den Qualm vorwärtsstolperte.
    Huck lag bei den Gitterstäben und versuchte, sich auf die Arme zu stützen. Er hustete bellend.
    Tom kniete sich vor das Gitter. »Huck! Huck, ich bin’s!«
    »T-tom. Verdammt, ich –« Er sackte zurück auf den Boden.
    Tom sprang auf, umfasste die solide Kette mit dem Vorhängeschloss, die das Gitter verriegelte. »Shit!« Blitzschnell ließ er wieder los. Das Ding war glühend heiß, er hatte sich die Finger verbrannt. »Zurück, Huck! Du musst zurück!«
    Schwerfällig hob Huck den Kopf, dann, als er sah, wie Tom den Colt auf das Schloss richtete, kroch er ein Stück vom Gitter weg. Tom feuerte, die Kugel prallte ab und schlug in die Wand ein. Das Schloss hatte er nicht getroffen. »Verdammte Scheiße!« Tom ging noch näher heran, der Lauf der Waffe keine Handbreit von dem massiven Vorhängeschloss entfernt. Wenn es unglücklich lief, würde die abprallende Kugel ihm die Waffe, die Hand oder sonst was zerschmettern. Er hatte nur noch zwei Kugeln im Lauf, und er drückte zweimal kurz hintereinander ab.
    Die Schüsse waren ohrenbetäubend laut, Pulverdampf vernebelte ihm den Blick, doch dann erklang das feine Rasseln der Kette, die an den Gitterstäben entlangglitt und zu Boden fiel. Das Schloss war zerstört.
    Brennende Balken krachten von oben herunter, es würde nicht mehr lange dauern und die ganze Decke würde einstürzen. Tom ließ den Colt fallen, riss die Zellentür auf und packte Huck unter den Achseln. »Los! Raus hier!«
    Jämmerlich hustend kam Huck auf die Füße. Toms Augen tränten, und er rang nach Luft. Er legte sich Hucks Arm um die Schultern und schleppte ihn zur Tür. Ein brennendes Brett fiel von der Decke und streifte Tom am Rücken. Er biss die Zähne zusammen, stolperte mit Huck über die Reste der eingetretenen Tür am Boden und schob ihn halb nach draußen.
    Sie fielen in den mit Asche gesprenkelten Staub vor dem Gefängnis. Tom holte so tief Luft wie noch nie in seinem Leben.
    Luft!
    Huck und er wurden von einem keuchenden Husten geschüttelt. Tom blickte auf, um nach einem Ausweg aus dem Inferno zu suchen. Die brennenden Haselbüsche und Holunderbäume bildeten inzwischen einen geschlossenen Ring aus Feuer um das Gebäude, und der dichte Rauch nahm ihnen jede Sicht.
    Selbst die Holzbohlen, die zum Gefängnis führten, standen in Flammen.
    »Hilft nichts, Huck. Wir müssen da durch!« Tom deutete unbestimmt in Richtung St. Petersburg, und Huck brachte zwischen den Hustenanfällen ein zustimmendes Grunzen heraus. Er kam auf die Knie. Als Tom ihn hochzog, krachte plötzlich ein Schuss. Splitter fetzten aus der Backsteinwand hinter ihnen und trafen Tom im Gesicht.
    ~~~
    »Runter!«
    Er zuckte zusammen und zog Huck nach unten. Wer zum Teufel schoss da auf sie? Und von wem war der Schuss gekommen? Von Jim Hollis, jenseits der brennenden Büsche? Würde der es wagen, auf offener Straße auf Tom zu schießen? Aber warum sollte er –?
    Ein zweiter Schuss schlug in die Wand hinter ihnen ein. Näher diesmal!
    »Scheiße!«
    Sie lagen jetzt auf dem Bauch. Der Schuss war aus dem dichten Gestrüpp gekommen, das sich hinter dem Gefängnis den Lovers’ Leap hinaufzog.
    Tom presste sich auf den Boden und warf einen Seitenblick zu den Büschen. Etwas blitzte zwischen den Blättern auf. Ein Gewehrlauf? Tom meinte schemenhaft die Umrisse einer Gestalt zu erkennen.
    War er das? Der Mörder?
    Der Wolf.
    Er biss die Zähne zusammen und fluchte. Seine Waffe lag irgendwo auf dem Boden vor Hucks Zelle, aber es waren sowieso keine Kugeln mehr drin. Der Mann, der vielleicht auch Tante Polly umgebracht hatte, war keine vierzig Schritt entfernt, aber jeder Versuch, ihn jetzt zu fassen, wäre glatter Selbstmord gewesen. Wieder ein Schuss, und

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