Der Mann, der sein Leben vergaß
Sie mir nicht in einer halben Stunde einen saftigen Braten auffahren und eine Pulle des bestens Weines, versuche ich, Ihr Zauberreich mit entschiedener Gewalt und unter Absingen schmutziger Lieder zu verlassen!«
Lachend traten sie in das Haus und kamen in die breite, langgestreckte, glaswandige Halle, die im Hintergrund einen wundervollen Blick auf das weite, schaumige, grünschillernde Meer freigab.
»Gehen wir in die Bibliothek«, sagte Dr. Albez, während sich Manolda erstaunt und ergriffen von der Schönheit des durch Säulen und Rundbogen gehaltenen Baues umsah. »Dort haben wir die Klippen und die Brandung unter uns, und die untergehende Sonne wirft ihr blutiges Gold voll durch die Fenster. Ich sitze dort jeden Abend und starre in den versinkenden Feuerball. Dann habe ich immer nur den einen Wunsch, selbst einmal bei einem solchen Sonnenuntergang zu sterben.«
Stumm gingen sie durch die weite Halle und traten in ein gewölbtes, bis an die Decke dunkel getäfeltes Zimmer ein, in dessen Längswände große Regale eingelassen waren. Ein breites Fenster führte zum Meer hinaus. Vor dem Fenster standen tiefe, weiche Sessel und ein geschwungener, ausziehbarer Club- und Spieltisch.
»Machen Sie es sich bequem, Manolda«, sagte Dr. Albez und wies auf die Sessel am Fenster. »Ich möchte nur schnell der Küche Ihre Wünsche weitergeben und mich selbst von der guten Flasche überzeugen. Für die Zwischenzeit: eine alte Flasche Martell und Gläser finden Sie in der Hausbar unter dem Fensterbrett. Fühlen Sie sich wie zu Hause und bedienen Sie sich. – Sie sind mit Ihrem Wagen gekommen?«
»Ja.«
»Ist es Ihnen recht, wenn ich ihn in meiner Garage einstellen lasse und Ihren Chauffeur der Obhut meines Hausmeisters übergebe? Unser Stubenmädchen Mira wird sich über den seltenen männlichen Zuwachs sehr freuen!«
»Ordnen Sie an, mein Bester«, lachte Manolda und warf sich in einen Sessel. »Ich bin in Ihrer Gewalt, und da ich jetzt weiß, daß Sie einen alten Martell haben, bekommen Sie mich sowieso nicht so schnell wieder los! Erst muß der Keller leer sein!«
»Hoffentlich, lieber Manolda, hoffentlich …«
Lächelnd entfernte sich Dr. Albez. Konsul Manolda klappte die Hausbar auf.
Nach dem Essen, das Manolda seinen gewünschten Braten bescherte und eine Flasche feurigen Tarragona, lehnten sich der Konsul und Dr. Albez in ihren Sessel zurück und rauchten eine der starken Virginiazigarren. Schweigend blickte Albez eine Weile über das grüne Meer.
»Sie werden wenig Abwechslung bei mir haben«, sagte er nach einer Pause. »Das Schönste, was ich Ihnen bieten kann, Manolda, ist Ruhe. Dann vielleicht noch etwas Angeln, kleine Küstenfahrten mit dem Motorboot und ein Ausflug nach unserem Bad Estoril. Hier ist die Einsamkeit.«
»Ich bringe Ihnen das Leben, Albez.«
Erstaunt blickte Dr. Albez auf. Der Ton in Manoldas Stimme war klar und bewußt. Es hatte sich nicht bloß um eine Redensart gehandelt.
»Wie soll ich das verstehen, Konsul?« fragte er. Manolda blickte hinaus auf das Meer.
»Ich habe Sie belogen, Doktor Albez. Ich kam nicht zum Vergnügen nach Portugal. Ich habe das Rentierleben satt und möchte wieder etwas Produktives aufziehen. Und zwar mit Ihnen, Albez. Sie haben von unserem lieben Freund Destilliano her noch die blendenden Verbindungen – ich kenne Mitteleuropa wie mich selbst! Und es tut sich etwas in Deutschland! Die Inflation ist längst überwunden, der Deutsche Stresemann ist dabei, die Karre seines Vaterlandes aus dem Dreck zu zerren – es geht aufwärts mit dem alten Germania! Damit ist seine Aufnahmefähigkeit äußerst gestiegen, vor allem, nachdem der Hunger der Volksmassen größer ist als die Eigenerzeugung des Landes. Wissen Sie, woran ich dachte, Albez?«
»Nein.«
»An eine internationale Obst-Export-Gesellschaft. Obst aus aller Welt hinein in das alte Europa. Unbekannte Früchte aus dem Malaiischen Archipel, aus Südamerika, aus dem Kongobecken auf den Markt werfen und eine neue Geschmacksrichtung einführen – da liegt noch ein Geschäft, bester Albez, da liegt das Geld auf der Straße – auf den Bäumen wächst es uns zu.«
»Ich habe Geld genug«, sagte Dr. Albez leise. Es klang nicht protzenhaft, sondern voll Resignation und fast traurig.
»Das ja! Aber wollen Sie Ihr ganzes Leben auf einem Felsen versauern?!«
»Leben zu müssen, ist sauer genug …« Albez blickte auf das Meer. Seine Gedanken schienen fern, in einer anderen Welt zu sein. Doch dann besann er
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