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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Dingsbums?«
    »Ja, Sie wissen schon – Mensch, wie heißen die verdammten Dinger bloß?«
    »Ähm …«
    »Gott, ich bin wie vernagelt heute. Ähm …«
    »Ja, was denn nun?«
    »Ich wollte es Ihnen schon vor einer Ewigkeit zurückbringen – sehr nachlässig von mir. Wie auch immer, bedienen Sie sich – es ist im Schuppen.«
    Artig öffnete ich die Tür und starrte in das chaotische Durcheinander von Gartenmöbeln, ausrangierten Rasenmähern, verrosteten Grills und Blumentöpfen. Ich zögerte. Vielleicht sollte ich einfach hineingreifen, den alten Rechen hervorziehen und sagen: »Ah, da ist er ja! Wenn Sie ihn sich noch mal ausleihen möchten, wissen Sie ja, wo wir zu finden sind …«
    »Wie geht es Madeleine?«, erkundigte er sich, während ich mir alle Mühe gab, möglichst angestrengt in den halbdunklen Schuppen zu spähen.
    »Äh, danke, gut. Sie ist gerade weggefahren«, platzte ich heraus, vielleicht etwas zu stolz darauf, dass ich tatsächlich etwas zu sagen wusste.
    »Ach. Wohin denn?«
    »Äh, keine Ahnung. Bilder abholen!«
    »Sie arbeitet von früh bis spät, nicht wahr?«
    »Ja, nicht wahr? Beziehungsweise nein, äh, oder doch?«
    »Wollen Sie nicht demnächst mal zum Essen rüberkommen?«
    »Danke. Nett von Ihnen.«
    »Im Ernst?«
    Er war sichtlich erstaunt über meine Antwort. Offenbar hatten wir frühere Einladungen dieser Art stets zurückgewiesen.
    »Na prima, wie wär’s nächstes Wochenende? Arabella würde Sie bestimmt auch gern mal wiedersehen, und wir haben Samstag noch nichts vor.«
    »Äh, nein, Samstag … Samstagabend ist eher ungünstig …«
    »Dann kommen Sie doch zum Mittagessen.«
    Obwohl ich weder ihn noch seine Frau kannte, ahnte ich, dass es unserem Ehefrieden eher abträglich wäre, wenn ich die Essenseinladung dieser Nachbarn annahm.
    »Äh, es ist im Moment ein bisschen schwierig. Maddy und ich sind … ähm, nun ja, wir sind im Augenblick ziemlich beschäftigt …« Sein Schweigen verlangte nach einer Erklärung. »Also, äh – wir haben eine Trennung auf Probe vereinbart.«
    »Eine Trennung auf Probe?«
    »Ja, ähm … und eine Scheidung auf Probe. Mal sehen, was daraus wird …«
    Wenigstens machte diese peinliche Eröffnung unserem Gespräch ein vorzeitiges Ende. Der Nachbar stellte seinen Drink beiseite und verschwand im Schuppen. Wie sich herausstellte, hatte der gesuchte Gegenstand die ganze Zeit direkt vor meiner Nase gelegen. »Ich Trottel!«, stieß ich hervor.
    Zehn Minuten später stand ich in einem vollbesetzten U-Bahn-Waggon, und mir fiel auf, dass die Leute zu mir noch stärker auf Distanz gingen als sonst. Vielleicht lag es an dem neunzig Zentimeter langen, gezahnten Schwert der elektrischen Heckenschere, die ich im Arm hielt. Da sie zu schwer war, um sie den ganzen Weg zu Gary und Linda zu schleppen, hatte ich kurzerhand beschlossen, den öffentlichen Personennahverkehr in Anspruch zu nehmen. Ich bedachte eine nervös dreinblickende Mutter mit einem matten Lächeln, worauf sie ihre beiden Kinder eilig ans andere Ende des Wagens zerrte. Ich versuchte die klobige Waffe so zu halten, als hätte ich gar nicht bemerkt, dass ich sie bei mir hatte, als würde ich tagtäglich zur Stoßzeit mit einem knappen Meter messerscharf geschliffenen Stahls in die U-Bahn steigen. Zwei Kapuzenpullis beäugten mich argwöhnisch. »Respekt!«, raunte mir der eine zu, als er an der nächsten Station ausstieg.

7. KAPITEL
    Es kam mir vor, als hätte ich die ganze Nacht auf die Pendeluhr gestarrt. Ich lag da, und im Halbdunkel des Kinderzimmers war alles still, bis auf die Wanduhr in Form eines feist grinsenden Clowns, der sich an einen Regenbogen klammerte und unaufhörlich wie wild hin und her schwang. Seine Situation erschien mir nicht annähernd so absurd wie meine eigene. Gegen halb vier wurde mir klar, dass der Clown wohl keine Ruhe geben würde, und so stand ich auf und schlich auf Zehenspitzen in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken.
    Sobald es hell wurde, war der Tag der Entscheidung gekommen. Ich saß eine Weile an dem Kiefernholztisch und lauschte dem rhythmischen Tropfen des Wasserhahns. Mein Blick fiel auf den Herd. Ob die Leute sich immer noch umbrachten, indem sie den Kopf ins Bratrohr steckten, oder funktionierte das mit einem Umluftofen nicht? An der Vorderseite prangte neben jeder Einstellung das entsprechende Piktogramm – ein Fisch, ein Hähnchen, aber nirgends der Kopf eines Selbstmörders in spe. An dem Pinnbrett neben dem Kühlschrank hing eine

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