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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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»Wenn du gleich nach dem Essen ins Wasser springst, kriegst du womöglich Magenkrämpfe. Und wenn du Pech hast, bricht dir ein Schwan den Arm.« Während sie sich vor einer riesigen Rutsche anstellte, ging ich zu Jamie und hockte mich neben ihn.
    »Wenn du willst, kannst du mich ins Wasser schubsen.«
    »Nein. Schon gut.«
    »Aber wir haben dir deine ganzen Fritten weggegessen.«
    »Das heißt nicht Fritten, sondern Pommes.«
    »Weißt du, ich bin eigentlich nur zu Hause ausgezogen, damit du und Dillie diesen ganzen Scheiß nicht mehr ertragen müsst.«
    »Ja, dafür müssen wir jetzt anderen Scheiß ertragen.«
    »Was denn für anderen Scheiß?«
    »Zum Beispiel, dass Mum die ganze Nacht in ihrem Zimmer liegt und heult. Oder dass wir umziehen müssen.«
    »Aber irgendwann hat auch das ein Ende, und du wirst feststellen, dass der neue Scheiß nicht halb so beschissen ist wie der alte. Übrigens, wenn ich diese Kraftausdrücke gebrauche, dann nicht etwa, weil ich ein cooler Vater sein will …«
    Ein Lächeln machte sich auf Jamies Gesicht breit.
    »Soll ich dir eine neue Portion Pommes kaufen?«
    »Bleib du mal lieber bei deinen ›Fritten‹, Dad. Es klingt voll peinlich, wenn du ›Pommes‹ sagst.«
    Als wir wieder zu Hause waren, wollte ich ausprobieren, ob ich noch Radfahren konnte, und bat Jamie, mir dabei zu helfen. Zu meiner Verblüffung hatte ich auch damit nicht das geringste Problem. Jamie klatschte jauchzend Beifall und brüstete sich stolz, seinem Vater das Radfahren beigebracht zu haben, und ich ließ ihm diese kleine Geschichtsklitterung anstandslos durchgehen. Aber ich war nicht ein einziges Mal ins Schwanken geraten. Man verlernte es tatsächlich nicht. Es war genau wie mit dem Schwimmen: Solange man sich aufs Vorwärtskommen konzentrierte, konnte einem eigentlich nichts passieren.
    »Ja, es ist wie mit der Ehe«, sagte Gary, als wir noch am selben Abend miteinander telefonierten. »Man kann es nicht einfach laufen lassen und hoffen, dass alles glattgeht. An einer Beziehung muss man arbeiten … Halt verdammt noch mal die Klappe , Linda ! Ich telefoniere !«
    Während Schwimmen und Radfahren mir keine größeren Probleme bereitet hatten, musste ich andere grundlegende Fertigkeiten ganz neu lernen. Im Haushalt gab ich mir alle Mühe, was mir nach meinem Gedächtnisverlust nicht eben leichtfiel, weil ich völlig vergessen hatte, wie man mit Bügeleisen und Staubsauger umging.
    »Wow, Dad beim Staubsaugen!«, rief Jamie. »Das hab ich ja noch nie gesehen!«
    »Ich weiß, und heute Morgen hat er sogar gebügelt.«
    Ich zog die Betten ab, in denen Maddys Eltern geschlafen hatten, und als Jean anrief, um mir mitzuteilen, dass sie wohlbehalten zu Hause angekommen seien, fand diese an sich unbedeutende Kleinigkeit irgendwie Eingang in unser Gespräch. »Übrigens, Jean, ich habe eine Haarklammer gefunden, als ich euer Bett abgezogen habe. Ich habe sie dir auf den Nachttisch gelegt, damit du sie das nächste Mal mitnehmen kannst.«
    »Hast du gehört, Ron? Er hat die Betten abgezogen. Hach, du bist ein Goldstück!«
    »Ach was, nicht der Rede wert. Ich bin nur froh, dass ich sie gefunden habe, bevor das Bettzeug in die Waschmaschine gewandert ist.«
    »Was, gewaschen hast du auch? Hast du gehört, Ron? Er macht sogar die Wäsche!«
    Dass die Amnesie meinen praktischen Fähigkeiten offenbar nichts hatte anhaben können, gab mir neue Kraft. »Wenn tatsächlich noch alles da ist, was ich einmal gelernt habe«, überlegte ich, »müsste ich doch eigentlich auch Auto fahren können. Es ist genau wie mit dem Schwimmen und dem Radfahren – man muss sich nur trauen!« Ich wartete, bis die Kinder bei Freunden waren, dann schnappte ich mir den Wagenschlüssel. »Ich habe bestimmt tausend Mal am Steuer dieses Autos gesessen«, sagte ich mir. »Ich steige einfach ein und fahre los.«
    Vierzig Minuten später traf der Abschleppwagen ein, um das Auto von der Ziermauer vor Nummer 23 zu hieven. War der Vorgarten der Parkers zuvor vom Gehsteig streng getrennt gewesen, wirkte er nun wesentlich offener und moderner. Außerdem mussten sie nicht länger auf der Straße parken, sondern konnten ihren Wagen ganz bequem auf einem Backsteinhaufen und den kläglichen Überresten ihrer Hecke abstellen, vorausgesetzt, es machte ihnen nichts aus, dass die Vorderräder in ihrem Goldfischbecken hingen.
    »Es tut mir wirklich furchtbar leid. Für den Schaden werde ich selbstverständlich aufkommen«, sagte ich zu Mrs. Parker, einer

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