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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Sie das etwa nicht sexistisch?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Klar ist es sexistisch, genau darum geht’s doch. Sexy Mädels, mit denen man Sex haben will.«
    Als ich zu einem Vortrag über den kleinen, aber entscheidenden semantischen Unterschied anheben wollte, schüttelte Gary kaum merklich den Kopf.
    »Aber interessieren sich die Mädels für jemanden wie mich? Ich habe Olga Blumen geschenkt, habe ihr sogar Pralinen in die Garderobe gelegt, und was macht sie? Lässt sich vom Chef in seinem beschissenen Porsche nach Hause chauffieren …« Plötzlich wirkte der Türsteher nicht mehr halb so furchterregend, doch statt ihn zu trösten, folgte ich Gary in den Club.
    Eine Viertelstunde später standen wir wieder auf dem Gehsteig.
    »Vaughan, du Volltrottel – was sollte der Quatsch?«
    »Ehrlich, ich habe nichts getan. Ich wollte bloß freundlich sein.«
    »Weiß doch jeder, dass man die Mädels nicht betatschen darf.«
    »Aber ich fand es unhöflich, ihr nicht wenigstens die Hand zu geben …«
    »Herrgott, das ist ein Stripschuppen und kein Kirchenbasar. Und du hättest sie auch nicht zu fragen brauchen, was sie beruflich macht – du hast es doch selbst gesehen! Geschäftsreisenden die Glocken vor die Nase hängen, das ist ihr Beruf!«
    »Tut mir leid, aber ich lerne nun mal nur selten Frauen kennen, deshalb bin ich mit der Etikette nur unzureichend vertraut.«
    »Da ist man großzügig und spendiert dir ’ne Solonummer im Séparée, und dann sorgst du dafür, dass wir beide hochkant rausfliegen!«
    Ich war in der Tat mit einer netten jungen Dame aus Litauen namens »Katya« auf ein »intimes Tête-à-tête« im Hinterzimmer verschwunden. Obwohl sie außer einem Stringtanga im Leopardenlook keinen Faden am Leibe trug, hatte ich mir alle Mühe gegeben, ihr die ganze Zeit tief in die Augen zu schauen und dabei ein paar äußerst interessante Dinge über ihre Geschwister in Erfahrung gebracht, die sie in der baltischen Hafenstadt zurückgelassen hatte, in der sie aufgewachsen war.
    »Und warum hat sie dann geheult, als sie aus dem Séparée kam?«
    »Na ja, ich hatte ihr gerade von Maddy und den Kindern erzählt. Und als ich dann auch noch damit herausrückte, dass mein Dad im Krankenhaus liegt, kamen ihr die Tränen. Sie konnte es kaum fassen, dass so etwas ausgerechnet einem – Zitat – ›so lieben, netten Mann‹ wie mir passieren muss …«
    »Verdammte Scheiße, Vaughan – du solltest ihr auf die Möpse glotzen.«
    »Typisch! Katya sagt, die Männer in England würden sich nur für ihren Körper interessieren.«
    »Sie ist Stripperin, Herrgott noch mal! Und nicht die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirksrats von Lambeth!«
    Gary war wild entschlossen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, auch wenn er sich meine mäandernden Gedanken zur Chancengleichheit in Striplokalen anhören musste.
    »Wusstest du, dass Frauen ihr Baby auch am Arbeitsplatz stillen dürfen?«
    »Nein …«
    »Doch – dafür haben sie hart gekämpft. Ich habe mich nur gerade gefragt, ob das auch für Oben-ohne-Tänzerinnen gilt.«
    »Hä?«
    »Na ja, angenommen, Katya möchte ein Kind, könnte der Stripclub sie dann vor die Tür setzen, weil sie schwanger ist? Oder weil sie ihr Baby mit zur Arbeit bringt und es auf der Bühne stillt?«
    »Igitt! Stehst du etwa auf so was? Da gibt es nämlich garantiert die eine oder andere Website …«
    »Nein! Aber als ich die Frauen nackt da oben tanzen sah, ist der Arbeitsrechtler in mir erwacht.«
    »Männer …«, stöhnte Gary.
    Wie nicht anders zu erwarten, gelangte das Kondom an diesem Abend nicht zum Einsatz, obwohl Gary sich alle Mühe gab, die klassische Filmszene nachzustellen, in der zwei Männer in einer Kneipe zwei alleinstehende Frauen ansprechen und ihnen einen Drink spendieren. In sechs verschiedenen Pubs und Weinlokalen entdeckten wir nur ein weibliches Duo, das sich nicht in männlicher Begleitung befand, doch wie sich herausstellte, warteten auch diese beiden nur auf ihre Lebensabschnittsgefährten.
    »Wie alt seid ihr überhaupt?«, erkundigte sich die eine bei Gary, der mit der nicht allzu originellen Antwort »Alt genug!« konterte. Was bei den jungen Damen nicht unbedingt das Bedürfnis weckte, ihre angeregte Diskussion über einen magisch-realistischen Roman zu unterbrechen und stattdessen mit zwei Fremden um die vierzig ins Bett zu gehen.
    Doch obwohl Garys übereifrige Verkuppelungsversuche allesamt erfolglos blieben, fand ich mich schon bald in einer Situation wieder,

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