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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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war ich offiziell bei Gary und Linda ausgezogen, nachdem ich mich dort zunehmend unwohl gefühlt hatte. Linda sah man ihre Schwangerschaft inzwischen deutlich an, was immerhin bewies, dass sie nicht bloß eine Irre mit Babyfetisch war.
    »Gary, hast du Vaughan schon von den neuen Klamotten erzählt, die ich Baby gekauft habe?«
    » Dem Baby. Nein.«
    »Außerdem habe ich mir ein Umstandssweatshirt gekauft, auf dem steht ›Ja, ich bin schwa…‹«
    »… ›schwachsinnig‹«, fiel Gary ihr ins Wort.
    Als ich noch einmal bei ihnen vorbeigeschaut hatte, um den Wohnungsschlüssel zurückzubringen und ihnen zum Dank ein kleines Präsent zu überreichen, wäre ich beinahe in eine lautstarke Auseinandersetzung hineingeplatzt, die bis vor die Tür zu hören war. In der Hoffnung, dass sie das Kriegsbeil früher oder später begraben würden, beschloss ich, ein Weilchen zu warten, bis es mir schließlich zu kalt wurde. Heimlich, still und leise betrat ich die Wohnung und schlich auf Zehenspitzen in die Küche, doch keine Linda weit und breit. Gary war allein; er hatte Lautsprecher an seinen iPod angeschlossen und lauschte beim Kartoffelschälen der Aufnahme eines alten Ehestreits.
    »Na? Was hörst du denn da? Eure größten Hits?«
    »Sozusagen. 15. August, letztes Jahr – nicht uninteressant.«
    Lindas tränenerstickte Stimme drang aus den schicken, teuren Miniboxen. »Nie redest du mit mir! Immer schweigst du mich bloß an, wenn ich mit dir diskutieren will …«
    »Ist dir diese Alternative vielleicht lieber?«, brüllte Gary zurück. »Du willst doch gar nicht diskutieren, sondern bloß bestätigt werden. Du willst nicht etwa eine andere Meinung hören, sondern erwartest, dass ich dir nach dem Mund rede wie deine Freundinnen, die zu jedem Blödsinn Ja und Amen sagen.«
    »Gut gegeben, was?«, meinte Gary. »Ich war taktisch bestens vorbereitet. Das ist wie beim Fernsehduell der Präsidentschaftskandidaten – man muss die richtigen Gegenargumente parat haben.«
    »Geht es nicht eigentlich darum, Auseinandersetzungen zu vermeiden?«
    »Nein, in einer Ehe muss man streiten. Warum sollte man sonst zusammenleben? Hast du schon mal gesehen, was sich manche Leute auf die Finger tätowieren lassen? ›L.O.V.E.‹ auf die eine Hand, ›H.A.T.E.‹ auf die andere. Liebe und Hass. Zwei Seiten ein und derselben Medaille.«
    »Ich hasse Maddy aber nicht.«
    »Von wegen, du kannst dich bloß nicht daran erinnern. Du hast sie gehasst, weil du sie geliebt hast – so läuft das nun mal.«
    »Aber warum müssen es denn unbedingt ›Liebe‹ und ›Hass‹ sein? Wieso nicht ›Kompromissbereitschaft‹ und ›Einfühlungsvermögen‹?«
    »Weil du an jeder Hand nur fünf Finger hast.«
    Zum Pub waren es nur ein paar Schritte oder, besser, wären es nur ein paar Schritte gewesen, hätten wir nicht die Strecke genommen, die Garys neue Kneipenfinder-App uns vorgeschlagen hatte. Zu meiner Verteidigung sei angemerkt, dass meine kategorische Weigerung, mir ein Handy zuzulegen, aus einer Zeit stammte, als man mit Mobiltelefonen noch nicht allzu viel anfangen konnte. Gary und ich benutzten unsere Handys in der Regel dazu, uns SMS , E-Mails oder Facebook-Nachrichten zukommen zu lassen, telefonierten aber fast nie miteinander.
    Seit Maddy und ich uns im Auto einen erbitterten Streit geliefert hatten, waren einige Wochen vergangen, und ich hatte beschlossen, das Beste aus meiner Freiheit zu machen und an einem der beliebtesten Reiseziele dieser Welt in der schönsten Zeit des Jahres meine Zelte aufzuschlagen. Ich konnte mich nicht recht entscheiden: Paris im Frühling, New England im Herbst oder doch Streatham im März?
    »Und wie lebt’s sich so im High Class Hotel in Streatham?«, fragte Gary, nachdem wir an der Theke Platz genommen und zwei Bier bestellt hatten.
    »Es macht seinem Namen alle Ehre. Abgesehen davon, dass ›Class‹ vorn mit ›K‹ geschrieben wird und ›High‹ auf die letzten beiden Buchstaben großzügig verzichtet.«
    »Hübsch …«
    »Aber es ist sehr günstig, weil ich der einzige Gast bin, der sich nicht nur für eine halbe Stunde eingemietet hat. Die Zimmermädchen bilden so eine Art Boxencrew, die nach jedem Freier in Rekordzeit frisches Bettzeug aufzieht.«
    »Vielleicht solltest du die Gelegenheit nutzen. Es ist doch bestimmt schon eine Weile her …«
    »Was?«
    »Dass du Sex hattest. Wann war das letzte Mal?«
    »Keine Ahnung.«
    »Das soll wohl ein Witz sein?!«
    »Nein, ich kann mich nicht entsinnen, jemals

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