Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
Vom Netzwerk:
dahin. Von allen bislang erfundenen maschinengetriebenen Schiffen bewegte sich keines so anmutig wie ein Raddampfer. Sie standen oberhalb des Radkastens und sahen die Ufer vorbeigleiten. Ari lehnte sich ganz leicht an ihn, und er spürte jetzt ganz deutlich, was er schon vorher bemerkt hatte: Sie trug keinen BH unter dem Kleid.
    Auf dem Achterdeck spielte eine kleine Kapelle, und einige Leute tanzten.
    »Möchtest du tanzen?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Martin Beck.
    »Das ist gut. Mir macht das auch keinen Spaß.«
    Und gleich danach:
    »Aber wenn nötig, kann ich es.«
    »Ich auch.«
    Das Schiff passierte die Margareteninsel und Üjpest, bevor es kehrtmachte und sich lautlos von der Strömung südwärts zurücktreiben ließ. Sie standen eine Weile hinter dem Schornstein und schauten durch die offenen Skylights. Die Maschine stampfte ihren ruhigen Rhythmus, die Kupferrohre glänzten, der warme, ölvermischte Luftstrom schlug ihnen entgegen. »Bist du schon mal mit diesem Schiff gefahren?«, fragte er. »Ja, schon oft. Es ist das Beste, was man an einem heißen Sommerabend in dieser Stadt machen kann.«
    Er wusste nicht genau, wer sie war oder was er von ihr halten sollte. Das irritierte ihn, von allem anderen ganz abgesehen. Das Schiff fuhr an dem riesigen Parlamentsgebäude vorbei, auf dessen Zentralkuppel jetzt diskret ein kleiner roter Stern schimmerte, glitt mit niedergelegtem Schornstein unter der Brücke mit den großen Steinlöwen hindurch und machte an derselben Stelle fest, von der es abgefahren war.
    Als sie über die Gangway an Land gingen, ließ Martin Beck den Blick über den Kai schweifen. Unter der Laterne vor dem Fahrkartenschalter stand der große Mann mit dem dunklen, nach hinten gekämmten Haar.
    Er trug jetzt wieder den blauen Anzug und starrte sie unverhohlen an.
    Nach ein paar Sekunden drehte er sich um und verschwand mit schnellem Schritt hinter dem Wartehäuschen. Die Frau folgte Martin Becks Blick und legte plötzlich, aber vorsichtig ihre linke Hand in seine rechte.
    »Hast du den Mann gesehen?«, fragte er. »Ja.«
    »Weißt du, wer das ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Du?«
    »Nein, noch nicht.«
    Martin Beck war ausnahmsweise einmal hungrig. Er hatte nicht zu Mittag gegessen, und bald war auch die Zeit des Abendessens vorbei.
    »Möchtest du mit mir essen gehen?«, fragte er. »Wo denn?«
    »Im Hotel.«
    »Kann ich in diesem Aufzug dorthin?«
    »Sicher.«
    Fast hätte er hinzugefügt: Wir sind ja nicht in Schweden.
    Es saßen noch ziemlich viele Leute im Restaurant und an der Balustrade vor den offenen Fenstern. Schwärme von Kriebelmücken umtanzten die Laternen.
    »Die kleinen Mücken stechen nicht«, sagte sie. »Wenn sie verschwinden, ist der Sommer zu Ende. Wusstest du das?« Das Essen war wie immer ausgezeichnet, ebenso der Wein. Sie hatte offensichtlich Hunger und aß mit gesundem, jugendlichem Appetit. Danach lauschte sie still der Musik.
    Sie rauchten zum Kaffee und tranken eine Art Kirschlikör, der ein wenig nach Schokolade schmeckte. Als sie ihre Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, berührte sie wie zufällig mit den Fingerspitzen seine rechte Hand. Etwas später wiederholte sie das Manöver, und gleich darauf spürte er unter dem Tisch ihren Fuß an seinem Spann. Sie hatte sich offenbar die Sandalen abgestreift. Nach einer Weile zog sie Fuß und Hand zurück und ging zur Toilette.
    Martin Beck massierte sich mit den Fingern der rechten Hand nachdenklich den Haaransatz. Dann beugte er sich über den Tisch und nahm das Einkaufsnetz, das sie auf den Stuhl neben sich gelegt hatte. Er griff hinein und befühlte den Bikini. Der Stoff war absolut trocken, selbst an den Nähten und entlang der Bündchen. So trocken, dass er in den vergangenen vierundzwanzig Stunden kaum mit Wasser in Berührung gekommen sein konnte. Er rollte ihn wieder zusammen und legte das Nylonnetz ordentlich auf den Stuhl zurück. Nachdenklich biss er sich auf den Zeigefingerknöchel. Das musste natürlich nichts heißen. Außerdem benahm er sich wie ein Idiot. Sie kam zurück und setzte sich, lächelte ihn an, schlug die Beine übereinander, steckte sich eine Zigarette an und lauschte den Wiener Melodien. »Wie schön«, sagte sie. Er nickte.
    Das Restaurant begann sich zu leeren, die Kellner standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Die Musiker beendeten das Konzert dieses Abends mit den »Donauwellen«. Sie schaute auf die Uhr.
    »Ich werde jetzt wohl nach Hause fahren«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher