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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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ist abgereist. Außerdem ist er nicht mein Freund.«
    »Aha.«
    (Äußerst geistreiche Bemerkung.)
    »Bloß ein Bekannter. Er wohnt ab und zu in der Pension. Ist ganz nett.«
    Sie zuckte mit den Schultern. Er betrachtete ihre Füße. Sie waren immer noch kurz und breit und die Zehen gerade. (Martin Beck, der Unbestechliche, den die Schuhgröße einer Frau mehr interessiert als die Farbe ihrer Brustwarzen.) »Aha. Und jetzt wollen Sie nach Hause fahren.« (Zermürbungstaktik.)
    »Tja, eigentlich schon. Jetzt im Sommer habe ich nichts Besonderes vor.
    Und Sie?«
    »Das weiß ich nicht.« (Endlich ein wahres Wort.)
    »Waren Sie schon auf dem Gellertberg und haben die Aussicht von dort oben genossen? Von der Freiheitsstatue aus.«
    »Nein.«
    »Man hat die ganze Stadt vor sich, wie auf einem Tablett.«
    »Aha.«
    »Sollen wir hinfahren? Vielleicht weht da oben sogar eine leichte Brise.«
    »Warum nicht«, erwiderte Martin Beck. (Ausschau halten ist ja nie verkehrt.)
    »Dann nehmen wir das Schiff, das gerade kommt. Mit dem wären Sie sowieso gefahren.«
    Das Schiff hieß Ißugärda und war bestimmt nach demselben Entwurf gebaut wie der Dampfer, mit dem er am Vortag gefahren war. Die Lüfter waren allerdings anders konstruiert und die Schornsteine etwas nach achtern geneigt. Sie standen an der Reling. Das Schiff glitt rasch stromabwärts auf die Margaretenbrücke zu. Mitten unter dem Brückenbogen fragte sie:
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Martin.«
    »Und ich heiße Ari. Aber das weißt du ja schon, woher auch immer.«
    Darauf reagierte er nicht, fragte aber nach einer Weile:
    »Was bedeutet der Name Ijjugärda?«
    »Junggardist.«
    Die Aussicht von der Freiheitsstatue hielt mehr, als Ari Boeck versprochen hatte. Da oben wehte tatsächlich ein leichter Wind. Sie waren mit dem Schiff bis zur Endstation vor dem berühmten Hotel Geliert gefahren, dann eine nach Béla Bartók benannte Straße entlanggegangen und schließlich in einen Bus gestiegen, der sie langsam und brummend auf den Gipfel des Berges befördert hatte.
    Jetzt standen sie an der Brüstung der Zitadelle schräg oberhalb des Monuments. Unter ihnen lag die Stadt, und Hunderttausende von Fensterscheiben glühten in der Nachmittagssonne. Sie standen so dicht nebeneinander, dass er eine ganz leichte Berührung spürte, wenn sie den Körper drehte. Er ertappte sich dabei, dass er zum ersten Mal seit fünf Tagen nicht ausschließlich an Alf Matsson dachte.
    »Da drüben ist das Museum, in dem ich arbeite«, sagte sie. »Im Sommer ist es geschlossen.«
    »Aha.«
    »Ansonsten studiere ich an der Universität.«
    »Aha.«
    Sie gingen zu Fuß auf verschlungenen Pfaden den Hang zum Fluss hinunter. Nachdem sie die große, neu erbaute Brücke überquert hatten, waren sie ganz in der Nähe seines Hotels. Die Sonne war hinter den Bergen im Nordwesten verschwunden, und eine sanfte, warme Dämmerung legte sich über den Fluss.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Ari Boeck. Sie hatte sich bei ihm leicht untergehakt und wiegte sich spielerisch, während sie am Kai entlanggingen. »Wir könnten uns über Alf Matsson unterhalten«, sagte Martin Beck.
    Die Frau warf ihm einen raschen, vorwurfsvollen Blick zu, doch im nächsten Moment lächelte sie und sagte:
    »Ja, warum nicht? Wie ist er? Wäre er mir sympathisch, wenn ich ihn kennenlernen würde?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Martin Beck.
    »Warum suchst du ihn? Seid ihr sehr gut befreundet?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich ... Eigentlich kenne ich ihn nur flüchtig.«
    Im Moment war er fast überzeugt, dass sie die Wahrheit sagte und dass die vage Andeutung, die ihn in das Haus in Üjpest geführt hatte, eine falsche Spur gewesen war. Aber nichts ist so schlecht, dass es nicht auch etwas Gutes hätte, dachte Martin Beck.
    Sie hing jetzt leicht an seinem Arm und setzte die Füße im Zickzack, sodass ihr Körper wie um eine senkrechte Achse hin und her schwang.
    Sie waren am Hotel vorbeigegangen und kamen zu dem großen Raddampfer mit den bunten Lichtern, den er am Abend zuvor auf dem Fluss gesehen hatte. Die Leute gingen gerade an Bord.
    »Was ist das für ein Schiff?«, fragte er.
    »Es heißt SzabaAsäg. Das bedeutet (Freiheit). Es macht Mondscheinfahrten flussaufwärts, umrundet die Margareteninsel und kehrt wieder zurück. Das dauert etwa eine Stunde. Kostet fast nichts. Wollen wir mitfahren?«
    Sie gingen an Bord. Unmittelbar danach legte das Schiff ab und glitt friedlich plätschernd in der dunklen Fahrrinne

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