Der Mann, der sich in Luft auflöste
zwanzig Mal zuschlug. Das weißt du doch schon alles.«
»Und hinterher? Hat er nicht versucht abzuhauen?«
»Wie man's nimmt.
Er ist nach Hause gegangen, hat seine blutverschmierten Klamotten zu einem Bündel geschnürt und sich einen halben Liter Brennspiritus besorgt. Damit hat er sich unter die Skanstullsbron gesetzt. Wir brauchten nur zur Brücke zu fahren und ihn aufzusammeln. Zuerst stritt er eine Weile alles rundweg ab, und dann fing er an zu flennen.« Nach einer kurzen Pause sagte er, noch immer ohne aufzublicken:
»Nicht zurechnungsfähig. Skanstullsbron! Er habe sich nicht vorstellen können, dass die Polizei dort nach ihm suchen würde, hat er gesagt. Aber er habe getan, was er konnte.« Kollberg senkte die Zeitung und sah Martin Beck an. »Genau«, sagte er. »Er hat getan, was er konnte.« Er kehrte zu seiner Zeitung zurück.
Martin Beck runzelte die Stirn, holte die Aufstellung hervor, die er am Abend zuvor bekommen hatte, und las sie durch. Immer wieder, bis sie am Ziel waren. Er steckte die Papiere ein und legte den Sicherheitsgurt an. Es folgten die üblichen unangenehmen Minuten, in denen das Flugzeug im Wind schaukelt und auf seiner unsichtbaren Rutschbahn nach unten gleitet. Gärten und Hausdächer, zwei kleine Hüpfer auf dem Beton, dann konnte er wieder ausatmen.
Während sie in der Inlandhalle auf ihr Gepäck warteten, wechselten sie ein paar Worte: »Fährst du heute Abend aufs Land?«
»Nein, ich warte noch ein bisschen.«
»An dieser Matsson-Geschichte ist irgendetwas faul.«
»Ja.«
»Äußerst ärgerlich.«
Mitten auf der Tranebergsbron sagte Kollberg: »Und noch ärgerlicher ist, dass wir es nicht lassen können, an dieses Elend zu denken. Matsson war ein Vieh. Sollte er wirklich verschwunden sein, wäre das eine Wohltat.
Falls er sich aus dem Staub gemacht hat, wird er früher oder später erwischt. Das ist nicht unser Bier. Und sollte er da unten zufälligerweise irgendwie umgekommen sein, geht uns das auch nichts an. Oder?«
»Ja, das stimmt.«
»Wenn der Kerl aber einfach nur weiterhin verschwunden bleibt, dann wird man noch zehn Jahre lang daran denken. Verdammt!«
»Du bist nicht besonders logisch.«
»Nein. Da hast du recht«, sagte Kollberg. Das Polizeipräsidium wirkte unerwartet still, aber schließlich war es Samstag und trotz allem Sommer. Auf Martin Becks Schreibtisch lagen ein paar uninteressante Briefe und ein Zettel von Melander: Ein Paar schwarze Halbschuhe in der Wohnung. Alt. Lange nicht benutzt.
Kein dunkelgrauer Anzug.
Vor dem Fenster zerrte der Wind an den Baumkronen, und der Nieselregen sprühte gegen die Scheiben. Martin Beck dachte an die Donau und die Dampfer und an leichte Brisen, die von sonnigen Bergen herabwehten. An die Wiener Walzer. Die sanfte, warme Nachtluft. Die Brücke. Den Kai. Er betastete vorsichtig seine Beule am Hinterkopf, ging zum Tisch zurück und setzte sich.
Kollberg kam herein, warf einen Blick auf Melanders Nachricht, kratzte sich am Bauch und sagte: »Das geht uns wohl etwas an.«
»Ja, ich glaube schon.«
Martin Beck überlegte einen Moment. Dann fragte er: »Als du in Rumänien warst, hast du da deinen Pass abgegeben?«
»Ja, die Polizei hat die Pässe auf dem Flugplatz eingesammelt. Eine Woche später hat man sie dann im Hotel zurückbekommen. Ich habe meinen ein paar Tage lang in meinem Schlüsselfach stehen sehen, bevor sie ihn mir zurückgegeben haben. Es war ein großes Hotel. Die Polizei hat jeden Abend stapelweise Pässe abgeliefert.«
Martin Beck zog sich das Telefon heran und hob den Hörer ab.
»Budapest 298-317, Major Vilmos Szluka persönlich bitte. Ja, Major S-Z-L-U-K-A. Nein, das ist in Ungarn.« Er kehrte ans Fenster zurück und starrte schweigend in den Regen. Kollberg saß im Besuchersessel und studierte seine Nagelhaut. Keiner rührte sich oder sagte etwas, bis das Telefon klingelte.
Irgendjemand sagte in sehr schlechtem Deutsch: »Moment, Major Szluka kommt in einem Augenblick.« Schritte hallten im Polizeipräsidium am Deäk Ferenc Ter. Dann war Szlukas Stimme zu hören:
»Guten Tag. Wie sieht es bei Ihnen in Stockholm aus?«
»Regen und Wind. Kalt.«
»Oh, wir haben über dreißig Grad heute. Fast zu heiß. Ich wollte gerade ins Palatinus-Bad fahren. Gibt es etwas Neues?«
»Noch nicht.«
»Hier auch nicht. Wir haben ihn noch nicht gefunden. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Jetzt in der Reisesaison kommt es doch sicherlich vor, dass Ausländer ihren Pass
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