Der Mann, der sich in Luft auflöste
verlieren?«
»Ja, leider. Das ist immer recht lästig. Glücklicherweise ist das nicht meine Sorge.«
»Könnten Sie überprüfen, ob nach dem 21. Juli ein Ausländer im Hotel Ifjüsag oder im Hotel Düna seinen Pass als verloren gemeldet hat?«
»Ja, sicher. Aber das ist wie gesagt nicht mein Ressort. Reicht es, wenn Sie gegen fünf Uhr eine Antwort bekommen?«
»Sie können jederzeit anrufen. Und noch etwas.«
»Ja?«
»Falls jemand einen Verlust gemeldet hat, glauben Sie, dass Sie in Erfahrung bringen können, wie der Betreffende ausgesehen hat? Mir würde eine kurze Personenbeschreibung genügen.«
»Ich melde mich um fünf. Auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören. Hoffentlich kommen Sie jetzt noch zu Ihrem Bad.«
Er legte auf. Kollberg sah ihn misstrauisch an. »Was denn für ein Bad?«
»Ein Schwefelbad, wo man unter Wasser in Marmorsesseln sitzt.«
»Aha.«
Sie schwiegen eine Weile. Kollberg kratzte sich am Kopf und sagte:
»In Budapest trug er also einen blauen Blazer, eine graue Hose und braune Schuhe.«
»Ja. Und den Popelinemantel.«
»Und in seiner Tasche war ein blauer Blazer.«
»Ja.«
»Und eine graue Hose?«
»Ja.«
»Und ein Paar braune Schuhe.«
»Ja.«
»Und am Abend vor seiner Abreise trug er einen dunklen Anzug und schwarze Schuhe.«
»Ja. Und den Mantel.«
»Und in der Wohnung sind weder die Schuhe noch der Anzug.«
»Stimmt.«
»Dieser verdammte Hund.«
»Ja.«
Die Stimmung im Raum änderte sich, schien entspannter zu werden.
Martin Beck kramte in seiner Schreibtischschublade, fand eine trockene alte Florida und zündete sie an. Wie der Mann in Malmö versuchte er, das Rauchen aufzugeben, allerdings erheblich halbherziger. Kollberg gähnte und sah auf die Uhr.
»Wollen wir irgendwo was essen gehen?«
»Ja, warum nicht.«
»Ins Tennstopet?«
»Denke schon.«
23
Der Wind war abgeflaut, und im Vasapark rieselte der Regen friedlich auf eine doppelte Reihe von Losbuden, ein Kinderkarussell und zwei Polizisten in schwarzen Regenumhängen. Das Karussell war in Betrieb, und auf einem der Pferdchen aus bemaltem Blech saß ein einsames Kind.
Ein kleines Mädchen mit Kopftuch und rotem Plastikmantel, das mit ernster Miene, den Blick fest geradeaus gerichtet, immer rundherum fuhr. Ein Stück entfernt standen ihre Eltern unter einem Regenschirm und schauten dem Vergnügen wehmütig zu. Aus dem Park roch es frisch nach Laub und nassem Gras. Es war Samstagnachmittag und schließlich trotz allem Sommer.
Das Restaurant schräg gegenüber vom Park war fast leer. Das Einzige, was man in dem Lokal hörte, war das Rascheln der Abendzeitungen, in die sich einige ältere Stammgäste vertieft hatten, und das dumpfe Geräusch von Pfeilen, die im Dartzimmer die Zielscheibe trafen. Martin Beck und Kollberg setzten sich in den Pub, ein paar Meter vom Stammtisch Alf Matssons und seiner Kollegen entfernt. Dort saß jetzt niemand, aber mitten auf dem Tisch stand ein Glas, in dem ein roter Reservierungszettel steckte. Vermutlich steckte der immer dort. »Der Mittagsansturm ist jetzt vorbei«, sagte Kollberg. »Aber in ungefähr einer Stunde trudeln die Gäste wieder ein, und heute Abend ist es so gerammelt voll von Leuten, die herumstehen und sich gegenseitig mit Bier bekleckern, dass du kaum einen Fuß auf die Erde kriegst.«
Die Atmosphäre lud nicht gerade zu weitschweifigen Diskussionen ein.
Sie aßen ihr verspätetes Mittagessen schweigend. Draußen ergoss sich der schwedische Sommer. Kollberg leerte sein Bierglas, faltete seine Serviette zusammen, wischte sich den Mund ab und fragte:
»Ist es schwierig, da unten über die Grenze zu kommen? Ohne Pass?«
»Anzunehmen. Die Grenze soll ziemlich gut bewacht sein. Ein Ausländer, der die Verhältnisse nicht kennt, schafft das kaum.«
»Und wenn man auf legalem Weg ausreist, braucht man einen Pass mit Sichtvermerk?«
»Ja, und außerdem eine Ausreisegenehmigung. Das ist ein Zettel, den man bei der Einreise bekommt und der im Pass bleibt, bis man das Land verlässt. Dann nimmt ihn das Kontrollpersonal heraus. Die Polizei stempelt neben den Sichtvermerk auch das Ausreisedatum in den Pass.
Hier, schau!« Martin Beck zog seinen Pass aus der Innentasche des Jacketts und legte ihn auf den Tisch. Kollberg studierte die Stempel. Dann fragte er:
»Und wenn man sowohl den Sichtvermerk als auch die Ausreisegenehmigung hat, kann man jede beliebige Grenze passieren?«
»Ja. Du hast fünf Länder zur Auswahl: die Tschechoslowakei, die
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