Der Mann, der starb wie ein Lachs
schlüpft, hinauf zu den senkrechten Felswänden der Sterne.
Mit schnellen Bewegungen entschuppt er den Fisch, die Schuppen spritzen und hüpfen und tanzen in der Abendsonne und bleiben wie kleine Münzen auf seinem Handrücken kleben. Er nimmt die Eingeweide heraus, schneidet Kopf und alle Flossen ab und salzt den Fisch auf einem Stück feuchtglänzender Aluminiumfolie. Über ihm scharen sich die Möwen. Dann füllt er den Bauch mit großen Butterstücken, reichlich frischem Dill und einem Bündel Petersilie, gestiftelten Karotten und weißem Pfeffer. Zum Schluss drückt er eine Zitrone in der Hand aus, lässt die Säure auf die Kräuterfüllung tropfen, bevor er die Folie zuwickelt.
Bei Sonnenuntergang zieht er das Folienpaket aus dem Glutbad und wickelt es vorsichtig auf. Intensive Duftwolken nach Sommer und blubbernde Butter schlagen ihm entgegen. Das heiße Fischfleisch hat sich von den Gräten gelöst und schmilzt im Mund, jedem sein Bier, schäumender Hopfen. Die Sonne verschwindet hinter den Inseln und zieht langsam die Abendwolken mit sich in die Tiefe. Hände, klebrig vom Hecht und von der Liebe.
51
Das Gerichtsgebäude von Gällivare war ungewöhnlich gut besucht. Das Gebirgslicht strömte durch die hohen Fensterscheiben, über die Zuschauerbänke, auf denen eine lustlose Schulklasse vor sich hin starrte, dasaß mit geöffneten Jacken und Schreibheften in der Hand, in die niemand etwas notierte. Ganz hinten saßen ein paar alte Leute. Sie schienen sich unwohl zu fühlen, waren aber wohl auch neugierig. Eine der Frauen schien samischer Abstammung zu sein. Ihr Gesicht war von zierlichen kleinen Runzeln bedeckt, die schlanken Waden reichten nicht ganz bis zum Boden, sondern schaukelten in sonderbar großen, plumpen Motorrollerstiefeln. Zwei Journalisten saßen ganz vorn, die Frau trug kurze blonde Haare und blätterte hektisch in den Anklagepapieren, während der ältere, bärtige Mann im Sakko dem Vorsitzenden des Gerichts ein blinkendes Diktiergerät hinhielt. Dieser wirkte wie immer verärgert, ständig einem Wutausbruch nahe, wie er seine glänzende Glatze vorschob und mit seiner Bleistiftspitze auf die Leute zeigte. Er verströmte einen Geruch nach Sulfid und Rasierwasser, ein mahnendes Gefühl, dass das Leben zu kurz sei. All die Unruhe und der Lärm, denen Einhalt geboten werden musste, ständig neue Übeltaten, die sich häuften!
Die Staatsanwältin, Elisabeth Perm, hatte im Laufe des Vormittags den Tatablauf referiert. Sie fühlte sich zufrieden und hübsch, wie sie in ihrer cremefarbenen Cameri-Bluse dasaß, die sie während einer Weinreise im August in Mailand gekauft hatte. Sauteuer und diskret, jeder Stich saß perfekt, unbesiegbar fühlte sie sich darin. Auch die Schuhe hatte sie dort gekauft, schwarze Paruzzi mit flachem Absatz, die sie niemals draußen trug, und dazu den langen Londonrock vom letzten Jahr. Tweed. Margaret Thatcher. Acht Mal teurer als bei Lindex, aber jedes Mal, wenn sie ihn trug, erinnerte sie sich an die urwüchsige Verkäuferin, als sie ihre Kreditkarte zog: »In a dress like this, no woman can cry.«
Elisabeth war dem Rat ihres verstorbenen Juraprofessors Hillden gefolgt: je abscheulicher das Verbrechen, umso steifer die Darstellung. Steifer bedeutete trockener. Weg mit Gefühlen, weg mit Handwedeln und Zittern in der Stimme, oder, wie er während der Ausbildung bei ihren fingierten Schlussplädoyers gerufen hatte: »Weniger Sten Broman!«
Hartgesotten, dachte sie. Raymond Chandler. Nicht der Autor soll fühlen und leiden, sondern der Leser. Jetzt fängt die Erzählung an. So sieht die Situation aus. Dann passiert das hier. Anschließend das und das. Am Ende liegt eine 83jährige Frau auf der Kellertreppe, den Arm von den beiden Angeklagten ausgekugelt. Einem 67jähriger Mann mit Gelenkrheumatismus wird ein Schneidebrett immer wieder auf die Stirn geschlagen, bis die Haut über beiden Augenbrauen aufplatzt und die Bewusstlosigkeit eintritt. Ein 69jähriger alleinstehender Mann in Låukuluspa bekommt eines Abends Besuch von einer Frau, die ihn um ein Glas Wasser bittet …
Sune Niska hob seine groben Finger und lockerte den Schlipsknoten, damit er besser atmen konnte. Scheiße, hätte man doch haulikko, dachte er, ein Schrotgewehr. Beide Läufe, piff paff! Solche sollten gar nicht existieren.
Die beiden Angeklagten saßen ganz vorn rechts, jeder mit seinem Anwalt. Drei Monate nach den Ereignissen lief die Frau immer noch auf Krücken. Ohne Perücke waren
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