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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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antwortete Sonny, »aber du musst wissen, dass …«
    »Wie heißt der Mann?«
    »Laut seiner Mutter heißt er Pettersson.«
    »Und sonst?«
    »Nur Pettersson. Wir haben da leider ein Problem  …«
    »Wie meinst du das?«
    »Es gibt ihn nicht«, sagte Sonny resigniert.
    »Wie meinst du das?«
    »Wir haben alles überprüft, das Einwohnermelderegister, die Krankenkasse, Versicherung, es gibt ihn nirgends.«
    »Natürlich muss es ihn irgendwo geben.«
    »Er ist nicht registriert. Nicht in der Kommune von Pajala.«
    »Aber er muss doch irgendwo eingeschrieben sein. Benutz seine Personenkennziffer.«
    »Er hat keine.«
    »Natürlich hat er eine«, widersprach Ånderman, jetzt richtig wütend.
    »Seine Mutter weigert sich, sie anzugeben. Und laut Familienregister ist sie kinderlos.«
    »Sie will ihn schützen«, sagte Ånderman. »Sie glaubt, er hat das Haus angesteckt.«
    »Aber ansonsten  …«, sagte Sonny.
    Ånderman stöhnte, war gezwungen, den Hörer vom Ohr fernzuhalten. Was für eine Ausdrucksweise, »aber ansonsten«!
    »Ja?«
    »Aber ansonsten ist es so, wie die Mutter sagt.«
    »Und was sagt sie?«
    »Dass sie den Sohn daheim geboren hat. Und ihn nie angemeldet hat. Nie den Behörden mitgeteilt hat, dass es ihn gibt.«
    Mit einem Zischen entwich die Luft aus Åndermans Büro. Zurück blieb nur ein flimmerndes Vakuum mit ihm selbst mittendrin, ein sich festklammernder Quastenflosser in der eleganten Ödnis. Dann entdeckte er, dass um ihn herum Wasser war. Meeresmassen mit einem erdrückenden Tiefseedruck.
    »Oj, oj«, sagte er mit einem kleinen, runden Fischmund. »Oj, oj, oj, oj, oj …«
    Er legte den Hörer auf. Malte einen leeren Kreis mit dem Füller. Ein Luftloch. Betrachtete lange die Blase.
    Ein Mensch, den es nicht gab. Das konnte einen wirklich umwerfen. Das war wirklich erschütternd.
     

49
     
    Märta Kallio wurde von Sonny Rantatalo in den Verhörraum geführt, sie machte kleine Schritte, wie auf dem Heimweg von einem Gebetsabend. An den Füßen hatte sie abgetragene Schlappen aus gegerbtem Rentierleder, die über den Boden schurrten. Eino machte ihr ein Zeichen, und sie setzte sich weit vorn auf den Stuhl wie ein Schulmädchen. Sie ist das nicht gewohnt, dachte er. Sie kommt nicht oft aus dem Ort heraus. Ihre Kleider rochen immer noch stark nach Rauch, die Fingerspitzen waren schmutzig vom Ruß. Jetzt versuchte sie etwas zu sagen, was nicht zu verstehen war, sie hustete zähen Schleim fort und versuchte es noch einmal.
    »Olettakos tet löytönheet sen? Habt ihr ihn gefunden?«
    »Leider nicht.«
    Offensichtlich ging es ihr nicht gut. Sie starrte auf ihr Wollkleid, auf die Ausbeulung an den Knien im Stoff. Heute Morgen hatte sie ihr Zuhause verloren, und jetzt saß sie hier, umgeben von Amtspersonen.
    »Hast du eine Ahnung, wo er sich versteckt haben könnte?«
    Eino sprach absichtlich Schwedisch. Amtssprache. Es ging darum, die Oberhand zu behalten. Sie schüttelte kaum sichtbar den Kopf.
    »Und du bleibst dabei, dass du ihn nie angemeldet hast?«, fuhr er fort.
    Ein Schauder durchfuhr ihren Oberkörper, als fröre sie.
    »Du musst mir antworten.«
    »Ja«, sagte sie beim Einatmen und fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. Die Zunge war überraschend biegsam, wie die einer Katze.
    »Dann ist dein Sohn also nie zur Schule gegangen? Das ist gegen das Gesetz, das weißt du doch, wir haben Schulpflicht in Schweden.«
    Sonny wandt sich an der Tür, er fühlte sich unangenehm in Anwesenheit der Frau. Sie erinnerte ihn an seine Großmutter, der gleiche Widerwille, bemerkt oder beachtet zu werden.
    »Ich habe dem Jungen selbst das Lesen beigebracht«, sagte sie ein wenig hartnäckiger.
    »Aber du hast nie Kindergeld für ihn gefordert?«
    »Nein.«
    »Und dein Sohn bekommt keine Frührente? Oder Arbeitslosengeld?«
    »Nein.«
    »Da hast du ja im Laufe der Jahre mehrere hunderttausend Kronen verloren!«
    Sie lächelte kurz. Schielte zum Fenster.
    »Aber warum?«, beharrte Eino.
    »Das war die Freiheit.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich wollte, dass er frei bleiben sollte.«
    »Frei?«
    Eino sah Sonny an und bat ihn mit seinem Blick um Hilfe.
    »Wer ist der Vater?«, wollte Sonny wissen.
    »Nein«, kam es ganz kurz. Es klang wie ein Wimmern. Von einem Tier.
    »Aber der Junge muss doch einen Vater haben?«
    Sie hob den Kopf und starrte Sonny an, als hätte er sie beleidigt.
    »Oder ist er vom Heiligen Geist gezeugt worden?«
    Mach das nicht, dachte Eino. Etwas im Verhalten der Frau ließ ihn
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