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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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war. Hinterher sollte er nie sagen können, warum, es war einfach so ein Gefühl gewesen. Als hätte er gefroren. Vilustaa.
    Als er dreißig Meter zurückgelegt hatte, begann die Lawine zu rollen. Ohne nachzudenken, trat er das Gaspedal bis zum Boden durch. Die Maschine schoss rückwärts in den Tunnel hinein, während sich die Decke löste. Der ganze Himmel öffnete sich und fiel, er war eine surrende Hummel im Maul eines Riesen, die versuchte, zwischen den Lippen herauszukommen, weg vom Transportbereich. Im letzten Moment gelang es ihm herauszukommen, und alles wurde zu einer einzigen Staubhölle. Wie gelähmt blieb er in der Fahrerkabine sitzen und spürte sein Herz, diesen runden Muskel, wie es in der Brust schlug. Eine Sekunde später, und er wäre zu Brei zermalmt worden.
    Aber jetzt war das Ende gekommen, jetzt sollte er also sterben. An einem ruhigen Sommerabend, während der Wetterbericht im Hintergrund murmelnd verkündete, dass Regen zu erwarten war. Er parierte mit dem Arm, so dass die Flasche den Türrahmen traf. Das Glas zersplitterte und verwandelte die Flasche in ein hässliches gezacktes Messer. Und jetzt trat der Mann hinter ihn, umfasste ihn und drückte ihm seine starken Arme auf den alten Brustkorb. Jetzt war es zu Ende.
    Die Frau hielt ihm ein paar Münzen vors Gesicht und zielte drohend mit der Flasche auf ihn. Geld, natürlich, Geld wollte sie haben. Scharfe Glasspitzen zuckten dicht an der nackten Haut, an Knorpel und Augen.
    »Ich habe kein Geld …«
    Sune jammerte, alles drehte sich in seinem Kopf. Resigniert gab er auf, gegenüber der Übermacht verließen ihn all seine Kräfte. Die Frau holte eine Nylonschnur heraus. Sie wollten ihn fesseln. Sie würden es in aller Ruhe aus ihm herauskriegen. Kein Grund zur Eile, hierher würde die ganze Nacht niemand kommen.  Das magere Kerlchen schubste ihn vor sich her, sein Mund schlug gegen die Tür. Sune hörte das Knacken, als die Prothese zerbrach. Er spuckte ein paar klebrige Splitter aus. Wie unnötig, Prothesen waren doch so teuer. Der Mann schubste weiter. Sune konnte seine Schuhe unter sich sehen. Schwarze, schmale, moderne Dinger. Dünnes Oberleder. Weich und leicht. Die Frau band eine Schlinge. Sie kam auf ihn zu, wollte sie ihm um den Hals legen. Zuziehen. Und dann ein wenig lockern. Wieder zuziehen, noch etwas fester.
    Sune beugte sich vor, als wäre ihm übel, hustete ein weiteres Prothesenstück aus. Es fiel weich zu Boden. So wird es sein, dachte er. Der Schwindel wich von ihm, er konnte etwas klarer sehen. Den Linoleumfußboden unter sich. Die Fußspitzen des Mannes. Sune zog das rechte Bein hoch. Sammelte alle Kraft in der Hacke, verwandelte den Fuß in einen Vorschlaghammer. Und dann trat er zu. So fest er konnte auf die Zehenknochen des Mannes. Merkwürdigerweise schrie der Mann nicht. Stattdessen zischte er, als ginge ihm die Luft aus. Sune spürte, wie der Ringergriff sich lockerte, und befreite sich mit einem heftigen Ruck. Wie ein Elch senkte er den Kopf und ging auf die Frau los. Er traf sie an der Brust, die weich war und teigig. Überrascht fiel sie auf den Rücken. Hinter Sune sammelte sich der Mann zu einem neuen Angriff. Sune drehte sich um und sah, wie die Flasche geschwungen wurde. Er parierte und bekam das Handgelenk zu fassen. Drückte es mit aller Kraft nach außen. Der Mann stolperte nach hinten, überrumpelt und wütend, versuchte ihn mit der Flasche zu treffen. Der Kastenstuhl, dachte Sune. Ich muss Richtung Kastenstuhl arbeiten.
    Der stand an der Küchentür. Sune nutzte seine ganze Körperkraft und drückte nach vorn. Der Mann bekam den Stuhl in die Kniekehle und verlor das Gleichgewicht. Sune hielt sich an ihm fest, ihr doppeltes Gewicht ließ sie zu Boden fallen. Der Hinterkopf des Mannes donnerte auf den Linoleumboden, die Sonnenbrille flog ab, das Weiße im Auge war zu sehen, die rosa Zunge. Der Mann verzog das Gesicht und versuchte die Flasche in Sunes Bauch zu bohren, Sune parierte, spürte aber, wie die Scherben sein Hemd aufschlitzten. Er hob seine alte Bergarbeiterfaust. Wie beim Tanz in Tuolluvaara 1959, dachte er. Jonas Lehtipalo und er selbst im Schneetreiben. Die Faust fiel herab. Beim vierten Schlag wurde es ruhig da unten, der Schnurrbart des Mannes hatte sich gelöst und hing schief am Klebstoff. Hinter ihm stand die Frau und hob den Kastenstuhl. Socken und Handschuhe fielen heraus, kullerten zu Boden, sie zielte auf Sune, schräg von oben. Auf seinen Schädel. Er versuchte den Schlag mit dem

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