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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Sie wurde zu Luft, nein, schlimmer noch, sie wurde zu einem Loch in der Luft, und ihre steife Körpersprache entlarvte sie, zeigte, wie groß ihre Angst war, aufgesogen zu werden. Und wenn sie endlich doch eine ledige Frau fanden, dann war es vermutlich eine Cousine. Inzucht. Verdammte Provinz, dachte sie, man schrumpft. Je mehr Platz es gibt, umso weniger wird aus den Menschen. Wenn man sich ein Weibchen beschaffen kann, ohne sich kämmen zu müssen, dann begnügt man sich damit, ein Tier zu bleiben.
    Und in diese Brühe purzelte nun sie hinein. Nicht nur eine Frau, sondern auch noch eine starke Frau. Eine verdammt starke Frau. Eine, die mehr Liegestütze schaffte als sie, eine, die besser schoss als sie, die besser Auto fahren konnte, die eine längere Ausbildung hatte und einen feineren Geschmack, was die Kleidung betraf. Sie liefen da mit ihrer Stempelkarte und Krankschreibung herum und glaubten, dieser kleine Wurm zwischen den Beinen machte sie überlegen. Während sie die meisten beim Armdrücken besiegen würde.
    Man merkte den Männern hier an, dass sie die Verlierer waren. Sie waren diejenigen, die übrig geblieben waren. Die Stadt, die Zivilisation, hatte ihren Magneten hingehalten, und alle, die stark genug waren, waren mitgezogen worden. Aber die Kerle hier, die hatten zu wenig Eisen in sich. Sie hatten sich mit dem Erstbesten begnügt, das war ihr Fehler. Einige hatten versucht, weiter im Süden zu leben, hatten ein Zimmer zur Untermiete in Fruängen oder Norsborg gemietet und festgestellt, dass sie es nicht schafften. Das Stadtleben war hart, und sie waren wie die Kinder. Viel zu weich.
    Sie ging zum Postkiosk. Es gab keine Schlange. Keine Wartenummern. Nur eine Dame mit Brille, die hinter dem Plexiglas saß und wartete, und innerhalb von fünfzehn Sekunden hatte Therese Briefmarken gekauft und die Ansichtskarte für Doris frankiert. Es ging so schnell, dass sie sich hereingelegt fühlte. Sie warf die Karte in den Briefkasten vor der Tür und sehnte sich nach Sushi. Mit viel Wasabi im Soja und grünem Tee und diesem Ingwerdessert, eingerollt in geröstete Sesamsamen. Und nach jemanden, mit dem sie reden konnte.
     
    Es wurde Zeit, Kinder zu bekommen. Sie war 33. Die Uhr tickte, und mit jeder Menstruation gab es ein Ei weniger im Körper. Sie dachte an Thommi und spürte, wie eine heiße Woge bis in die Achseln hinaufströmte.
    Sie hatte ihn bei einem Kneipenbummel zusammen mit Doris kennengelernt. Es war kurz nachdem Doris geschützte Daten bekommen hatte, und die beiden waren ausgegangen, um die neue Freiheit zu feiern. Doris war ganz in Weiß gekleidet, La Dolce Vita, ein unschuldiges Waldweibchen mit überschminkten blauen Flecken. Ihr verschleierter Blick wanderte im Lokal herum und fing das Aufblitzen aller Männchen ein, aus ihren Drüsen stiegen wahre Wolken an Pheromonen, und dann all die Haut, die sie zeigte. Alle Männer, die an ihr vorbeigingen, erhielten ein angedeutetes Ja, und innerhalb einer halben Stunde hatte sie eine sagenhafte Prügelei veranlasst, mit ihr selbst auf dem Thron in der Mitte. Testosteron und Blut spritzten umher, zwei Türwächter sprangen hinzu und machten das Ganze nur noch schlimmer, während Doris wie üblich verschwand. Sie kehrte allen den Rücken zu und machte sich unsichtbar, verdampfte wie Rauch, und als Therese draußen zur Taxischlange lief, gab es niemanden, der sie gesehen hatte. Unter ihrer geheimen Handynummer war nur ihre Anrufbeantworterstimme zu hören, wie eine Katze, ein einsames kleines Kätzchen.
    Therese ging allein weiter in die Stadt hinein, die Taschen voller männlicher Gewalt. Sie versuchte, sie abzuschütteln, doch sie blieb an ihr haften. Klebrige Spermienflüssigkeit, harter Rotz. Sie wurde an der Schlange vorbei ins Karma hineingelassen, nachdem sie diskret ihren Polizeiausweis an der Tür gezeigt hatte, und versuchte sich dort zu amüsieren. Den Abend von neuem zu beginnen.
    Da sah sie Thommi. Er saß ganz hinten an einem Tisch, ein langhaariger, schlaksiger Typ mit Pferdeschwanz und Hemdenkragen. Er sah aus wie einer der drei Musketiere in einem alten Kinofilm, nur der Degen fehlte noch. Äußerst umständlich fabrizierte er eine Zigarette mit Varaderotabak aus einer Silberdose mit Ornamenten. Er legte die ölig aromatisierten Streifen vornübergebeugt auf schwarzes Zigarettenpapier und blinzelte dabei wie ein Briefmarkensammler, rollte dann mit seinen langen Uhrmacherfingern eine dünne schwarze, fast obszöne Zigarrenzigarette

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