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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Melonen, die sich kaum in die Uniformjacke zwängen ließen. Mit ihr konnte man keinen Kampfsport trainieren, sobald man sie berührte, bekam sie einen Silikonkrampf.
    Die verschwitzte Joggingkleidung lag in einem Haufen auf dem Boden. Therese hängte sie im Badezimmer an die Haken für die Handtücher. Warf einen Blick in den Spiegel und schaute in ihre Pupillen wie in schwarze Tunnel. Wurde in sie wie in Rohre hineingezogen, harte Kanonenrohre, durch die Eisenkugeln bis in die Unendlichkeit geschossen wurden. Ein Gefühl der Leichtigkeit. Federfüße. Sie trippelte, steppte, immer noch den Röntgenblick auf den Spiegel geheftet. Zisch, eine aufblitzende Rechte. Dann die Linke, ein schneidender Uppercut. Ein Lächeln wuchs hinter der Deckung. Der Rausch im Körper. Die Freiheit, die ihre Fühler in alle Richtungen ausstreckte und sich zu dünnen Breiten- und Längengraden über die ganze Welt ausdehnte, ein Fangnetz, das sich auf der anderen Seite der Erdkugel zusammenschloss und von ihren Fingerspitzen ausging. Eine Spinnenfrau. Alles gehörte ihr.
    Vielleicht lag es auch am Training. Das Lustgas der Endorphine, die den Kopf zu einem Luftballon aufpumpten. Sie könnte bereits morgen abreisen. Oder jetzt gleich. Wegfahren, alles hinter sich lassen, sich einfach vom Wind treiben lassen. Nichts, was sie hinderte, kein Kind, kein Mann, keine Gewichte an den Knöcheln. Sie konnte die Kugel drehen und mit dem Finger blind draufzeigen. Die Wüste Gobi. Rarotonga Island. Sachalin. Cap Verde. Sie würde auf Zehenspitzen tanzen, kleine, schnelle Schritte, damit keine Wurzeln wachsen konnten. Keine sie umklammernden Schlingpflanzen, nur fröhliche Freunde, denen man zuprostete und von denen man sich wieder verabschiedete, exotische Saisonarbeiter, von denen man fortging, sonnenwarme Liebhaber, die im gemieteten Zimmer liegen blieben, nach Algen und Fischnetzen duftend, während man die Lunge leerte und zu der schimmernden Oberfläche aufstieg.
    Im Augenblick war es Pajala. Ein Aquarium. Sie würde es studieren, und sie würde es wieder verlassen. Wenn man so dachte, verschwand die Angst. Das Jetzt war immer so erbärmlich, so eingeschränkt. Ein Wespennest aus Makulatur. Aber sobald sie den Kopf aus der Papiertüte herauszog, begegneten ihr Sonne und Licht. Wie bei einem schwedischen Inlandsflug im Spätherbst. Wochenlang grau im ganzen Land, Regen und trübe Sicht. Und dann hebt man vom Boden ab, steigt nach oben. Sieht, wie sich alles Stück für Stück öffnet. Die Wolken sinken nach unten. Man zwängt den Kopf aus dem Haferbrei, und dann begegnet man der Sonne. Fünfundvierzig Minuten lang ist der Himmel über den Wolken blau vor Glück. Unendlich. Das gibt es die ganze Zeit dort.
    Dort oben sollte man leben. Im Scheinwerferlicht. Ohne Mutterland, ohne irgendeine baumelnde Nabelschnur, die ihre Gebärmutter suchte.
    Das war Schönheit.
     

17
     
    Esaias Vanhakoski hackte Holz. Er hatte beschlossen, dass es an der Zeit war. Ein großer, knorriger Birkenholzhaufen hinter der Garage, er hatte ihn mit dem Scooteranhänger über die Schneekruste hergeschleppt, mehrere Male gewendet und abgeladen. Den ganzen Sommer hatte er nun wie ein schlechtes Gewissen dort gelegen.
    Aber heute lag Wut in der Luft. Ein saftiger Geruch, eine Art Geilheit, die die Lunge anspannte. Er hatte die Motorsäge genommen. Und dann den ganzen Mist zersägt. Und dann die Motoraxt hervorgeholt und Klotz für Klotz gespalten, bis in den Abend hinein. Der Kolbendruck, wenn das Holz gegen die Schneide gedrückt wurde, und dieses knirschende Geräusch, wenn die Birkenrinde aufplatzte, das Knacken und Knirschen, wenn die Holzfasern auseinandergerissen wurden und die frischen Birkenhälften zu beiden Seiten hinunterfielen, weiß und offen wie die Seiten eines Buches.
    Die Schultern taten ihm weh. Die Hände scheuerten in den groben Arbeitshandschuhen. Der Griff war erschöpft, nachdem er viele hundert Scheite hochgehoben hatte. Der Schweiß klebte ihm am Rücken, das Haar war feucht und struppig unter der Mütze. Die gleichen Bewegungen, immer und immer wieder. Die dicken Muskelgruppen des Kreuzes, das Motorendröhnen der Elektroaxt. Verdammte Scheiße, war es schön, ein Mann zu sein!
    Dann war da etwas, ein juckender Brotkrümel unter dem Hemd, und er drehte sich um, ganz um die eigene Achse. Aber da war nichts, nur das Haus, das dastand, und die Sauna, die rauchte. Das gehackte Holz türmte sich auf und war hinderlich für die Holzzufuhr. Er machte eine

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