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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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vergewaltigt wird. Du verstehst. Du verstehst doch!«
    Therese verstand nie, wie er die Schwedischprüfung hatte bestehen können, sein Akzent klang wie die Parodie eines Stand-up-Comedian. Das erste Mal liebten sie sich nach dem traditionellen Krebsessen der Aspiranten. Er hatte nicht begreifen können, wieso Schweden Spinnen aßen, igitt, Tiere, die im Schlamm herumkrochen und Aas fraßen. Stattdessen hatten sie nachts an einem Kebabimbiss angehalten, und er hatte eine Falafel in sich geschaufelt, und dann hatten sie sich geküsst. Sie konnte sich noch heute an den Geschmack von Kreuzkümmel und Koriander erinnern und später an sein erschreckend pulsierendes Gewicht auf der Sprungfedermatratze. Es war wie von einem Zug überfahren zu werden. Genau das, was sie brauchte.
    »Du bist nicht schwedisch«, sagte er am Morgen danach.
    »Und das musst du mir sagen!«
    »Du bist schwedisch, und du bist auch nicht schwedisch.«
    »Muslimische Logik.«
    »Nein, ich meine, du bist viele Frauen. Du bist keine Frau. Gleichzeitig. Wie im Spiegel.«
    »Ich bin ja wohl verdammt noch mal ich selbst!«
    Er dachte eine Weile nach und zupfte geistesabwesend in der Wolle auf seinem Brustkorb. Sie richtete sich auf den Ellbogen, suchte eines seiner Brusthaare und riss es aus. Noch eins. Es tat weh, und beim dritten Haar setzte er sich auf.
    »Ich dachte, du wärst verheiratet«, sagte sie aggressiv.
    »Noch nicht.«
    »Stimmt es, was gesagt wird? Dass du und Mitra, dass ihr Cousin und Cousine seid?«
    Er zeigte eine enttäuschte Miene, sein Mundwinkel wurde noch trauriger. Schweigend löste er seine dünne Halskette, an der eine merkwürdige braune, eingetrocknete Nuss hing. Die legte er in ihren verschwitzten Bauchnabel.
    »Wenn du ihn findest«, sagte er leise.
    Dann war er fort.
     
    Hinterher war sie in erster Linie wütend. Er war mit seinen marokkanischen Flipflopsandalen bei ihr hereingeschlurft. Typen sollten mit den Hüften wippen, das war das Einzige, wozu sie taugten, sobald sie zu denken versuchten, wurde es unangenehm.
    Sie war viele Frauen. Das betraf ja wohl alle. Man hatte verschiedene Rollen, man hatte eine Garderobe mit Kleidern. Mal Jeans, mal ein Kleid, mal eine Clownsmaske mit aufgemaltem Lächeln. Das nannte sich soziale Kompetenz. Überall hineinzupassen, in welcher Stadt auch immer wohnen zu können. Geographisch flexibel. Das war sie. Eine Weltbürgerin.
    Und trotzdem gab es ein kratzendes Sandkorn, das im Fleisch scheuerte. Irritierte.
     
    Therese trat nach ihrer täglichen Laufrunde aus der Dusche und trocknete sich mit dem weißen Hotelhandtuch ab. Nackt und immer noch dampfend ließ sie sich nach vorne auf den Teppich fallen und machte dreißig langsame Liegestütze. Ruhte sich aus. Machte noch dreißig, spürte den angenehmen Schmerz in den Schultermuskeln, die einschießende Milchsäure. Jetzt kein Hohlkreuz, die Schenkel eisenhart, die Waden leicht zitternd. Noch dreißig.
    Sie schielte zu den Lokalnachrichten hinüber. Sune Niska wurde in seinem Haus interviewt, zeigte gemächlich und methodisch dem verblüfften Reporter, wie er die Eindringlinge niedergeschlagen hatte. Fifteen minutes of fame, im Herbst seines Lebens. Die Frau wurde momentan im Krankenhaus von Sunderby operiert. Der Mann war ins Gefängnis von Pajala gebracht worden und schwieg, er weigerte sich weiterhin, seine Personalien anzugeben. Ihren Mercedes hatten die Polizeitechniker übernommen, im Kofferraum hatte sich einiges an Diebesgut befunden. Aber nichts von Martin Udde. Vielleicht war es ihnen gelungen, in der Zwischenzeit diverse Dinge beiseite zu schaffen.
    Etwas atemlos ließ Therese sich aufs Bett fallen und tastete ihre Brust nach Krebs ab. Sie fand einen Knoten. Keine Beule, sondern einen Knoten, die bekam sie häufiger, wenn sie ihre Regel hatte. Kleine Leimknoten. Irgendwie mit Flüssigkeit gefüllt. Am liebsten würde man sie zerdrücken, ganz fest, damit sie platzten.
    Die rechte Brust war ein wenig kleiner als die linke. Amazonenbrust, wie sie immer dachte. Die diese Kriegerinnen abschnitten, damit sie sie nicht beim Bogenschießen behinderte. In der Oberstufe war ihr die Unvollkommenheit ihres Körpers peinlich gewesen. Aber das ging nach dem dritten Beischlaf vorüber, keiner der Jungs hatte überhaupt etwas gemerkt. Dagegen hatte sie die Größe ihrer Brüste nie interessiert. Sie waren klein, aber sie war ja immer sehr jungenhaft gewesen. Sie erinnerte sich an Melissa auf der Polizeihochschule, an deren wippende

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