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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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auf und eilte nach hinten zur Damentoilette. Die Tür war verschlossen. Sie stellte sich ins Dunkel davor und rieb sich die Stirn. Die Haut glänzte und war fettig.
    Da bemerkte sie einen unerwarteten Geruch. Zigarrenrauch. Therese schnupperte. Kam er aus der Toilette? Schwerer, kräftiger kubanischer Tabak. Stand jemand da drinnen und rauchte heimlich?
    »Therese?«
    Kaum mehr als ein Flüstern. Sie drehte sich um, wich erschrocken zurück. Ein großer Mann mit geöffnetem Mantel. Das Gesicht lag im Schatten eines sehr alten oder ganz neuen Herrenhuts. Dort, wo die Lippen sein mussten, brannte Zigarrenglut.
    »Kennen wir uns?«, murmelte sie.
    »Kennen wir uns nicht, Therese?«
    Er senkte die Zigarre, sie spürte die heiße Glut an der Wange. Jetzt konnte sie ein schmal zusammenlaufendes Kinn und das Glänzen tief liegender Augen erkennen. Er duftete nach Chewal und Bergamotte.
    »Woher kennen wir uns?«, flüsterte sie.
    Aber da hatte er sich bereits umgedreht. Ein langer Rücken, breite Schultern. Sie drückte die Klinke. Die Toilettentür glitt auf, war nicht abgeschlossen. Drinnen war es leer.
     
    In der Klarabergsgatan, genau bei der Statue von Nils Ferlin, beugte Doris sich vor und erbrach sich. Es platschte auf den Bürgersteig und bespritzte ihre Pierluigi-Collani-Stiefel. Therese stützte sie auf ihren wackligen Absätzen. Zog eine Papierserviette heraus.
    »Der Mozzarella«, jammerte Doris.
    Eher wohl der Mojito, dachte Therese. Sie entdeckte ein Minzblatt, das zwischen Ferlins Füßen schwamm.
    »Guck mal«, war eine nasale Stimme zu hören, »die geilen Bräute da drüben!«
    Nein, dachte Therese. Nicht das auch noch.
    »Ich will tanzen«, krächzte Doris.
    Nein, stopp!, dachte Therese. Lade sie nicht noch ein.
    »Was hat sie gesagt? Was quatscht die Braut da? Habt ihr gehört, die Puppe will tanzen!«
    Sie waren zu fünft. In den Zwanzigern, mit Kapuzen über dem Kopf. Zwei mit heller Haut, drei sahen südeuropäisch aus. Latinos.
    »Sie ist krank«, versuchte Therese es. »Lasst sie in Ruhe.«
    »Haben wir mit dir geredet, Fotze, hä?«
    Sie musterte einen nach dem anderen. Gesicht. Kleidung. Schuhe, die waren am sichersten. Kleider konnten sie auf der Flucht wegwerfen, die Schuhe wohl kaum.
    »Wir wollen nur unsere Ruhe.«
    Sie hätte auch noch »bitte« sagen können. Aber da verlief die Grenze. Frauen, die in Ruhe gelassen werden wollen, dachte sie. Man sollte sie eigentlich nicht daran erinnern müssen. Der Kerl, der redete, hatte einen schiefen Vorderzahn. Der andere eine Schlangentätowierung am Hals. Sein Kopf war kahlrasiert, sah aus wie eine Eichel. Noch zögerten sie. Schauten einander an, sollen wir oder sollen wir nicht? Frustriert, rastlos. Den ganzen Abend von den Bräuten abgewiesen, von Türwächtern aufgehalten, besoffen und rachsüchtig.
    »Ich bin übrigens Po …«, begann sie.
    Sie bekam das Zeichen nicht mit. Die Latinos schleppten Doris wie einen Müllsack weg zur Klara kyrka. Es war kein Schrei zu hören, hielten sie ihr den Mund zu? Zwei blieben bei Therese und passten auf, dass sie nicht weglief. Damit sie keine Hilfe holen konnte.
    »Gib mir dein Handy!«, forderte der Lange mit dem Schneidezahn.
    Der andere hatte eine merkwürdige Ohrform. Das Ohrläppchen hatte eine tiefe Einbuchtung. Es war zu merken, dass er so eine Situation nicht gewohnt war, er war ziemlich ängstlich. Er versuchte hinter sie zu gelangen, schielte auf ihre Handtasche.
    »Wollen wir auch, wir auch?«, zischte er aufgeregt.
    Zwei gegen eine, dachte sie. Die Angst wuchs in ihrer Kehle, sie schluckte schnell. Es musste doch bald eine Polizeipatrouille vorbeikommen. Jemand, der half.
    Der Kerl klopfte nervös eine Zigarette heraus. Beide Hände beschäftigt. Sie blinzelte, holte tief Luft und versetzte ihm einen harten Schlag auf den Kehlkopf. Er fiel gurgelnd zu Boden, während sie der andere angriff. Groß und grob, Bodybuilder. Er begann sich zu drehen, kam wie ein Bisonochse mit gesenktem Kopf auf sie zu.
    Sie wich zurück und benutzte seine eigene Angriffskraft. Half nur noch mit einem Arm nach. Der rasierte Schädel traf auf Nils Ferlin. Ferlin gewann. Fast verblüfft ließ sich der Kerl auf den Hintern plumpsen. Sie trat mit dem Absatz in sein Zwerchfell, sah, wie er sich durch den Nervenschock in Krämpfen zusammenkrümmte.
    Schnell hin zur Kirche. Ich muss leise sein, dachte sie. Die können bewaffnet sein.
    Das Tor war aufgehebelt. Aber die Kirche war verschlossen und dunkel. Sie fand sie auf der

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