Der Mann, der starb wie ein Lachs
Rückseite. Doris lag steif auf dem Boden, den Slip an den Füßen. Einer saß rittlings auf ihrer Brust und fummelte an seinem Reißverschluss. Der andere packte sie bei den Handgelenken und versuchte sie zu küssen. Der Dritte rutschte über sie hinweg und wollte gerade in sie eindringen. Keiner ahnte etwas, sie waren mit sich selbst beschäftigt.
Therese schlich sich von hinten an, gerade als der Kerl anfangen wollte zu ficken. Sie drückte ihm die Zeigefinger in die Augen. Er wich gurgelnd im Zickzack zurück, verbarg sein Gesicht in den Handflächen. Der Kerl, der immer noch an seinem Reißverschluss herummachte, schaffte es nur zur Hälfte, hochzukommen, als ihn der Tritt traf. Sein Kopf wurde schräg nach hinten geworfen. Witsch, watsch. Stehkragen.
Der Dritte ließ Doris' Handgelenke los. Tastete nach seiner Innentasche, nach seinem Springmesser. Da nicht, in der anderen Tasche. Raus damit und raus mit der Klinge, nein, Scheiße, das war das Handy, oh …
Die Nase im Kies. Klammergriff und eins in die Fresse. Doris, die davonflatterte, leicht wie ein Schmetterling. Therese verließ die Übeltäter, sollten sie sich doch auf dem Boden winden, und schob Doris in ein Taxi, ein warmes, ruhiges Taxi.
Doris saß unbeweglich da. Vollkommen still.
»Wie geht es dir?«, fragte Therese vorsichtig.
»Ich will nach Hause.«
»Das ist der Schock, Doris, das geht vorüber.«
»Ooh …«
»Wir fahren zum Notarzt, ich werde dir helfen. Du brauchst ein ärztliches Attest.«
Doris hob das Kinn, ihre Lippen zitterten.
»Du kapierst gar nichts«, flüsterte sie. »Das waren doch Alberto und Santos. Die aus dem Kursus, ich hab dir doch davon erzählt … die wollten nur tanzen …«
Das Taxi ließ Doris vor ihrer Tür am Karlaplan heraus und fuhr weiter Richtung Süden. Das gibt es gar nicht, dachte Therese. Das ist ja schlimmer als auf Ibiza. Eine richtige Scheißnacht war vorüber, die man nur in dreckiges Zeitungspapier einschlagen konnte. Wie eine alte Haut abstreifen.
Sie stieg vor ihrem Haus aus und sah, wie das Taxi davonfuhr. Spürte, wie der Schock abzuwarten schien, mit seiner Attacke noch eine Weile warten wollte.
»Therese …«
Sie zuckte erschrocken zusammen. Er trat aus dem Torbogen. Knöchellanger Mantel, offen über dem italienischen Anzug. Breitkrempiger Hut. Die Montechristo klemmte halb geraucht zwischen Zeige- und Mittelfinger.
»Möchten Sie probieren?«
Er hielt ihr den rauchenden Leckerbissen hin. Nikotin.
»Wie haben Sie mich gefunden?«
Er zuckte mit den Schultern und zeigte auf die Erde. Die Metro?
»Sie hat Vestibulitis, nicht wahr? Ihre Freundin, meine ich.«
»Sind Sie Arzt?«
»Schmerzhafte Überempfindlichkeit beim Geschlechtsverkehr.«
»Man glaubt, es sei psychisch. Sie geht zu einer Verhaltenstherapie.«
»Und Sie sind Weltenbürgerin, Therese? Ein Freund hat es mir erzählt.«
Er sagte es in leichtem Ton dahin, als kommentiere er ihre Kleidung. Jetzt ließ er die Zigarre los. Sie blieb in der Luft hängen. Nur einen Moment, aber dennoch zu lange. Dann sank sie in die Nacht wie ein rotes Rücklicht, schlug im Sternenregen auf dem Bürgersteig auf. Die Spitze seines Mittelfingers streichelte die Innenseite ihres Handgelenks. Orgasmus.
»Komm rein«, flüsterte sie.
»Bist du sicher?«
»Wer bist du eigentlich? Wie heißt du?«
Er lächelte. Der Eckzahn war lang, es glänzte etwas darin. Ein Rubin.
»Sie nennen mich Pettersson.«
24
Esaias war gerade ins Bett gegangen, als sein Telefon klingelte. Es war halb zwölf Uhr in der Nacht. Die Mittsommernachtssonne strahlte auf die Eberesche vor dem Fenster und vergoldete sie. Es war eine merkwürdige Nacht, es gab Feuer in ihr. Etwas brannte, tat weh. Ein Baum in Flammen, federleichte Asche, die herabsank und sich über die Wurzeln legte. Eine Einsamkeit, das Haus, das seine Bretter nach dem Trampeln und Klappern des Tages zur Ruhe bettete.
Sirrr! Er zuckte von diesen digitalen Klingeltönen zusammen. Wie die Grillen in Mysore. Immer und immer wieder.
»Ja?«, antwortete er.
Schweigen in der Leitung. Nein, jemand atmete.
»Tulekkos? Kommst du?«
Ein Flüstern.
»Se ei ole hyvä ilta. Das ist kein guter Abend.«
»Se on poijessa. Er ist weg.«
Esaias stellte sich dicht ans Mückenfenster. Die Fäden des feinen Netzes am Gesicht. Die Mücken warteten festgeklemmt an der Außenseite, sie hoben und senkten ihre langen, gebogenen Hinterbeine, als streichelten sie sich. Ab und zu flogen sie eine Runde und
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