Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
aus Leder.
    »Jetzt nehme ich dir deine Unschuld«, sagte sie, als sie die Maschine einschaltete.
    »Hä?«
    »Die erste Tinte auf deine Haut, die ersten Kleckse aufs Seidenpapier …«
    An diesem Abend gab Doris sich locker und südländisch, sie machte eine Latinophase durch und nippte an einem Mojito mit zerdrückten frischen Minzeblättern zwischen dem Eis. Ein wunderbarer Platz hier. Man konnte jeden Drink bekommen, der erfunden worden war, seit Columbus den Atlantik überquert hatte. Die Bardamen konnten mindestens hundertfünfzig auswendig und hatten weitere Tausende im Computer, der immer neben der Happy-Hour-Tafel bereitstand. Bestellte man eine eigene Mischung, bekam man auch die, in Schränken und Schubladen hatten sie unzählige Glasgefäße mit Anisextrakt, Zitronengras, Duriam, Chinin, zerdrücktem Heidegagelstrauch, Rosenwasser und sogar mit einem Kraut, das in einem äußerst selten bestellten Geneverdrink aus dem friesischen 18. Jahrhundert vorkam.
    Sie hatten den Abend in einer gemütlichen italienischen Trattoria in der Grev Turegatan eingeläutet mit Pastrami, hauchdünn geschnitten direkt am Tisch von den direkt importierten, luftgetrockneten Riesenschinken. Anschließend Gorgonzolapasta und ein ausgezeichnetes Pesto mit Walnüssen, Sardellen, Olivenöl, Basilikum und dazu frittierte Auberginen mit Mozzarella. Außerdem ein junger, rauchiger Chianti, den der Kellner mit Lockenkopf ihnen empfahl. Allein der Anblick seines Torsos war den Besuch wert, wie Doris nach ihrem zweiten Glas mit Wolfsblick lächelnd bemerkte. Anschließend erzählte sie ausführlich von dem Salsakurs, an dem sie hinten am Medborgarplats teilnahm, wie der Tanz es ihr ermöglichte, physisch an der Latinokultur teilzunehmen. Man wird fast ganz zum Körper, so viel Unterleib, man bekommt einen besseren Kontakt mit dem Boden unter sich. Die Füße, ja, die Zehen selbst scheinen sich in die Erde zu bohren. Außerdem war die Hälfte aller Teilnehmer männlich. In allen anderen Tanzkursen, die sie besucht hatte, gab es einen bedauernswerten Frauenüberschuss, hier war es fifty-fifty. Zwar gab es auch einen Schweden, ein Meter neunzig groß, er ging auf die Technische Hochschule und bewegte sich, als hätte er einen Stock verschluckt. Aber die anderen … Doris ließ ihre Zungenspitze zwischen den Vorderzähnen sehen. Latinos. Du weißt, diese Hüften. Sie können einen führen, dass man bis in die Zehenspitzen hinein elektrisch wird.
    »Dann hat sie jetzt also endlich geholfen? Ich meine, diese Verhaltenstherapie?«
    Doris ließ ihr langes, aschblondes Haar wie einen Vorhang vor ihr Gesicht fallen. Es wogte im Takt mit ihrem unangenehm kurzen Keuchen. Die Lippen bewegten sich, als führte sie eine Pantomime aus. Als versuchte sie eine Botschaft herauszuwürgen, groß wie eine Kröte in ihrem Mund. Therese ergriff ihr Glas und ließ die Sekunden verstreichen. Das ging normalerweise vorüber, wenn man sie in Ruhe ließ.
    Nach einem cremigen, echten Vanilleeis mit gerösteten Pinienkernen und Amarettotopping hatten sie sich in den Himmel der Drinks begeben, und anschließend wollten sie ein Tanzlokal aufsuchen. Doris trug eine himmelblaue, tief ausgeschnittene Schlangenhaut, die perfekt zu ihren Babyaugen passte. Therese selbst war metallisch an diesem Abend. Silbergrau. Wie ein Marschflugkörper. Sie spürte die Blicke der Krawatten hinten an der Bar. Notebooker, dachte sie kritisch. Teure Uhren und kleine Schulterpartien.
    »Und wie war es am Nordpol?«, fragte Doris, während sie eine Tablette aus der Folie herausdrückte.
    Sie hatte wieder ihr übliches Gesicht. Glatt und hübsch.
    »Du meinst Pajala?«
    »Ihr habt einen Kerl geschnappt? Und ihn dann wieder laufen lassen?«
    »Hm.«
    Therese sehnte sich nach Nikotin. Was für eine Idiotin sie doch gewesen war, überhaupt damit anzufangen. Die Sucht würde sie für den Rest ihres Lebens verfolgen.
    »War er es dann doch nicht?«
    »Nein, wir haben später ein paar Trickbetrüger geschnappt, die auf alte Leute spezialisiert waren.«
    »Ja, das habe ich in der Zeitung gelesen. Aber erzähl lieber von dem Typen, war er so wie im Film? Mit Kappe und kariertem Hemd?«
    »Jaa.«
    »Ist das wahr, Tessan? Und Bartstoppeln und Snus? Und dann diese lappländische Schweigsamkeit?«
    »Genau so.«
    »Dann gibt es sie also wirklich?«
    Doris beugte sich vor, sie wollte mehr hören. Therese spürte ein Brennen im Hals. Magensäure. Sie hielt die Innenseite des Handgelenks hoch, stand schnell

Weitere Kostenlose Bücher