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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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verwandelten sich in ein unscharfes Kreuz. Kleine, blutsaugende Hubschrauber, unbeirrt surrend. Diese skandinavischen Mücken hatten etwas Armseliges an sich, sie hatten es so eilig. Plump starteten sie ihre Attacken und wurden in Massen totgeschlagen, dumme, träge Selbstmordbomber. Vielleicht lag es am Sommer, er war zu kurz hier oben, sein Feuer brannte viel zu hitzig.
    Da war es mit den indischen Moskitos doch etwas ganz anderes. Sie waren viel kleiner und schmächtiger gebaut, wie feine Daunen. Und fast lautlos. Nur ganz dicht am Ohr konnte man einen schwachen Schrei erahnen. Im Sonnenlicht sah man sie nie. Den ganzen Tag über versteckten sie sich in den dunkelsten Ecken, auf der Unterseite des Hotelbetts, tief hinten im Schrank, auf der Rückseite des Rahmens der Ganeshareproduktion. Aber um zwei Uhr nachts, wenn das Opfer in der tropischen Dunkelheit am tiefsten schlief, hoben sie ihre kleinen Messer. Suchten die Wärme, die heiße Vene da drinnen, und stachen dann ganz sanft und vorsichtig zu. Beim geringsten Muskelzucken flogen sie auf und kreisten abwartend in der Luft, während sich das Opfer im Schlaf kratzte. Dann ließen sie sich für einen neuen Stich sinken, gleich neben dem alten. Am Morgen konnte man eine Perlenkette von Bisswunden auf der Haut entlang der angeschwollenen Ader erkennen. Aber da war der Täter schon lange fort.
    Esaias rollte sich Deodorant unter die Achseln und wusch sich den Penis im Handwaschbecken unter fließend kaltem Wasser. Die Eichel glühte wie eine Lampe. So eine Nacht war es.
     
    Er stellte sein Fahrrad ein Haus weiter ab und ging wachsam das letzte Stück zu Fuß. Ein Auto kam angefahren, und er suchte hinter einer Hagebuttenhecke Schutz. Die empfindlichen Rosen sahen aus wie aufgerissene Münder, nach Lippenstift duftend. Er überquerte das Grundstück von der Rückseite des Nachbarhauses aus, ging an den Gartenmöbeln vorbei und sah, dass die Terrassentür angelehnt war. Wie eine Falle.
    Sie saß im Ledersessel. Schwarze, knöchellange Strümpfe, ein geschnürtes Lackkorsett, aus dem das Hausfrauenfett an den Rändern hervorquoll. Ein Glas Rotwein in der leberfleckigen Hand.
    »Schließ ab«, sagte sie.
    Er drehte sich um und verriegelte die Terrassentür. Ging zu ihr und nahm ihr Glas. Hielt es in das schräg einfallende Sonnenlicht, sah, wie der Wein zu glühen begann. Rubin.
    »Komm«, sagte sie.
    Er leerte hastig das Glas. Folgte ihr ins Schlafzimmer und legte sich vollkommen angezogen auf die seidenglatten Laken. Die Lesebrille ihres Ehemannes lag auf dem Nachttisch. Er setzte sie auf. Sie erstarrte, versuchte, es wegzulachen. Zog sie ihm herunter.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Ich denke, es reicht jetzt«, sagte er.
    »Machst du Witze?«
    »Ich weiß es nicht. Es geht mir nicht gut.«
    Sie öffnete seinen Reißverschluss. Zog das weiche Glied heraus.
    »Sonny ist in Luleå, weißt du. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Vorsichtig, ganz vorsichtig strich sie über die weiche Haut. Spürte, wie er anschwoll. Ihr Korsett knarrte leise.
    »Zieh sie an«, bat sie ihn.
    Er streckte sich nach den Kleidern aus. Zog Sonnys Polizeiuniform an, registrierte, wie sie nach dessen grobem Körper roch.
    Sie hob die Decke an. Die Lederriemen lagen bereit. Sie legte sich auf den Bauch, die Arme auf den Rücken, drückte die Handgelenke aneinander. Hart und unbequem band er sie zusammen.
    »Bist du ein böses Mädchen?«, wollte er wissen.
    Sie schüttelte den Kopf, wehrlos, aber trotzig. Er fühlte sich müde. Etwas war anders. Er dachte, dass dieses Mal das letzte Mal sein würde.
     

25
     
    Der Wind pfiff durch Haralds Turm, die Kälte drang langsam durch die Forstjacke und die Pullover und brachte den Duft nach Morast und Säure mit sich. Esaias spähte umher, ließ seinen Blick über das Grün schweifen. Haralds Turm war ein gutes Revier, mitten in einem alten Holzschlag, auf einer kleinen Anhöhe, mit guter Sicht in alle Richtungen. Entlang Bosses Waldweg in der Nähe saßen die anderen Schützen und warteten. Noch waren keine Hunde zu hören. Vereinzelt kamen Nachrichten auf Finnisch aus dem Funk. Urho rief Joni, Hugo und Knut schlugen sich langsam durch das Dickicht am Hosiojärvi.
    Das Gewehr hing schwer am Schulterriemen, eine alte Stiga 30.06. Esaias hängte sie an einen Nagel und zog das Messer aus der Lederscheide. Schnitt dünne Scheiben getrockneten Rentierfleisches ab, ungemein zart und lecker, der Gaumen füllte sich mit dem Salz der Wälder. Der Wind

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