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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Wattebausch heraus. Therese sah ihn abwartend an. Er beugte sich zu ihr vor und kratzte mit dem Stäbchen an der Innenseite ihrer Wange. Sie verzog das Gesicht, aber da war es schon vorbei.
    »Und wie geht es dem Hals?«, konterte sie.
    »Magen«, korrigierte er. »Ich muss in einer Woche zur Nachuntersuchung.«
    Vom Gesangsunterricht in seiner Jugend her klang seine Stimme immer noch wohlmoduliert. Daheim hatte er eine komplette Sammlung von Wagner minus one, bei denen er sämtliche Baritonpartituren mitsingen konnte, jetzt winkte er sie zu sich. Hielt ihr die nummerierte Plastiktüte im Schein der Liefferlampe auf dem Schreibtisch hin. Auch sie war sein Privateigentum, im geschmackvollen Neobauhausdesign.
    »Was meinst du, was das ist? Nein, nicht anfassen, nur raten.«
    Therese beugte sich vor und schaute durch das Plastik. Ein bräunlicher, merkwürdig geformter Tierkörper. Plumpe Formen, starrende Glasaugen und ein weit aufgerissenes Maul wie bei alten Mayaskulpturen. Makaber.
    »Sieht aus wie Scheiße«, sagte sie.
    Er starrte sie an. Schob sich die dicke Brille in die Stirn, seine Gesichtshaut begann zu glänzen. Jetzt wird er wütend, dachte sie.
    »Du bist wahrscheinlich die Zwanzigste, die ich frage«, erklärte er. »Und du bist die Erste, die korrekt geantwortet hat. Das ist Scheiße, genauer gesagt Menschenscheiße. Sozusagen in elaborierter Form.«
    »Von wem gemacht?«
    »Einem finnischen Kulturschaffenden«, antwortete er. »Genauer gesagt einem Mitarbeiter beim Hufvudstadsbladet in Helsinki. Er hat diese Kunstwerke in seinem Arbeitszimmer zustande gebracht, dann hat er in regelmäßigem Abstand die Fähre nach Stockholm genommen und sie an öffentlichen Plätzen ausgestellt. Anschließend hat er aus einiger Entfernung gewartet, bis jemand vorbeikam. Es gab immer jemanden, der es gesehen hat und neugierig wurde.«
    »War das sexuell?«
    »Die Schweden mochten seinen Kot. Und darauf war er aus. Dieser hier war so gut gemacht, dass ein Mädchen im Teenageralter ihn mit nach Hause genommen hat. Ein Elternteil reagierte darauf, und so sind wir ihm auf die Spur gekommen.«
    »Dann hat der Kerl die Schweden gehasst?«
    »Das Ganze ist wohl etwas komplizierter. Er ist Finnlandschwede, also ein Finne mit Schwedisch als Muttersprache. Davon gibt es mehr als dreihunderttausend in unserem Nachbarland, eine beachtenswerte Minorität.«
    »Wie die Tornedaler«, überlegte Therese. »Nur umgekehrt.«
    »Und diese Ambivalenz Schweden gegenüber ist typisch für sie«, sagte Ånderman.
    »Aber worauf war er denn nun wütend?«
    »Ja, wie soll man das nennen? Ich weiß es nicht, die Wurzeln?«
    Er betrachtete sie abwartend. Die Brille beschlug vom Tee.
    »Nun zeig mal, was du da hast.«
    Mit einem leichten Knall legte sie Uddes Fotoalbum auf den Schreibtisch. Ånderman beugte sich darüber und blätterte darin, während er durch den Mundwinkel auspustete.
    »Lass mal sehen … Handelt es sich um Kinder?«
    »Am Ende gibt es ein Foto aus der Dusche.«
    Ånderman stutzte. Beugte sich näher darüber, über die Fotos.
    »Martin Udde? Ist er das? Ja, ei der Daus!«
    Es war zu merken, dass Ånderman nie einen Fernseher gehabt hatte, dachte sie. Was war eigentlich »Daus«?
    »Nicht zu leugnen, das gibt neuen Stoff für die Ermittlungen«, murmelte Ånderman.
    »Ist dir einer dieser Giftzwerge vielleicht schon einmal über den Weg gelaufen?«
    Er nahm sich jetzt mehr Zeit. Holte eine Zeisslupe aus einem Etui aus samischem Leder heraus, so eine, wie die Feldbiologen sie benutzten, wenn sie Kryptogame bestimmen wollten.
    »Der Fette hier ist ein Deutscher. Und der Alte mit dem Hollywoodgebiss ist Amerikaner, ein richtig ekliger Kinderschänder, ist aber letztes Jahr gestorben, soweit ich mich erinnern kann. An Altersschwäche. Ich kann sehen, dass das Foto datiert ist, es ist acht Jahre alt.«
    »Was sollen wir machen?«
    »Gibt es noch mehr?«
    »Ein paar Schreibhefte.«
    »Ich will alles sehen, Therese. Onkel Grabschhand gibt es überall.«
    »Glaubst du, dass Udde auch in Pajala tätig war?«
    »Wussten die Nachbarn von seiner Neigung?«
    »Es hat niemand von sich aus etwas in der Richtung gesagt.«
    »Hat er Mädchen oder Jungs vorgezogen?«
    »Jungs. Meistens schreibt er über Jungs.«
    Ånderman versuchte gleichgültig auszusehen, verlagerte aber ständig das Gewicht auf seinem Stuhl.
    »Mädchen schlucken es«, sagte er. »Die verstummen, versuchen es zu ignorieren. Während Jungs es auskotzen.«
    »Zu Gewalt

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