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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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greifen?«
    »Natürlich nicht alle, das ist ein Mythos. Aber viele. Die Phantasien dahingehend entwickeln, es rauszulassen.«
    »Die Rache haben wollen?«
    »Es kann ein Straßenkind in Pajala gegeben haben. Das es lange mit sich herumgeschleppt hat. Eine tickende Zeitbombe, die nur auf den richtigen Augenblick wartet.«
    »Ein Krimineller?«
    »Wahrscheinlicher ist es ein ganz normaler, unauffälliger Bewohner von Pajala. Ein Waldarbeiter oder vielleicht ein Lehrer. Kann sogar ein Polizist gewesen sein.«
    »Dann glaubst du nicht, dass die Trickbetrüger Udde umgebracht haben?«
    »Die schweigen ja immer noch. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall müssen wir uns alle Wege offen halten.«
    Ånderman hob das Fotoalbum an die Nase und schnupperte daran. Seine fleischigen Nasenflügel weiteten sich, vibrierten. Langsam lehnte er seinen Ramseskopf wieder gegen die Kopfstütze.
    »Lass die Kollegen da oben mal herumstochern, die können ja die Sprache«, sagte er. »Ich schaue mir die Schreibhefte an und denke darüber nach, und dann denke ich, solltest du wieder in den Norden fahren.«
    In den Norden. Therese spürte, wie sich unbewusst ihr Unterleib zusammenzog, das Sesselleder knarrte. Es nützte nichts. Ånderman schlürfte erneut seinen Tee, mit beweglichen Handgelenken wie eine alte Frau, wie seine schon seit langem verstorbene Mutter.
     

29
     
    Aus »Jägerleben in Tornedal« von Hakan Välikangas
    Skrivarförlaget, Luleå, 1981
     
    Eine im Tornedal oft benutzte Fallenanordnung läuft unter der Bezeichnung loukku. Das Modell ist bereits Hunderte von Jahren alt und ohne Zeichnungen von der älteren Generation immer an die jüngere überliefert worden. Alles, was gebraucht wird, sind ein Stück Holz und ein Messer. Aus dem Holzstück werden drei unterschiedliche Teile geschnitzt. Zwei Teile sind breit mit einer Kerbe und ein paar Aussparungen. Der dritte Teil ist eine lange, sich verjüngende Weidenrute (s. Abb. 1). Die Teile werden glatt geschmirgelt, um die Reibung zu vermindern, und dann in der Form zusammengesetzt, dass der lange Holzstab waagerecht herausragt und die beiden Stückteile miteinander verbindet. Oben auf die Anordnung kann jetzt ein ziemlich ansehnliches Gewicht gelegt werden, wie beispielsweise ein flaches Stück Felsen, ein Stück aus dem Baumstamm oder eine Holzplatte. Die Anordnung ist so stabil für vertikale Kräfte, dass man sich in gewissen Fällen sogar äußerst vorsichtig darauf setzen und die Füße vom Boden abheben kann. Gleichzeitig ist sie von der Seite her so empfindlich, dass bereits kleinste Vibrationen genügen, wenn etwa ein Hermelin oder eine Waldmaus sich an das Speckstück, das auf das Ende des horizontalen Stabs aufgespießt ist, heranwagen, damit die Anordnung auseinanderfällt und das Gewicht mit aller Wucht auf sein Opfer fällt.
    Über die Stabilität dieser Konstruktion kann folgende Geschichte erzählt werden: In einem Dachverschlag im Ort Liviöjärvi wurde 1972 von den Brüdern Alrik und Allan Wonkavaara ein »loukku« gefunden. Die Falle war intakt und mit einem gespaltenen Kiefernstamm als Gewicht versehen, aber der Köder war schon seit langer Zeit verschwunden, vermutlich von Insekten gefressen. Als die Jungen den Stab mit einem Besenstiel berührten, fiel die Konstruktion auf geplante Art und Weise zusammen. Bei näherer Untersuchung des »loukku« wurden Initialen gefunden, die mit denen des Vaters Eeros übereinstimmten. Als dieser gefragt wurde, zeigte er große Verwunderung, erinnerte sich dann daran, wie seine Mutter in seiner Kindheit meinte, Mäusegeräusche vom Dachboden her zu hören, und dass er daraufhin ein »loukku« geschnitzt hatte. Da aber die Mäusegeräusche von selbst aufhörten, war die Falle offenbar in Vergessenheit geraten. Eero versicherte, dass diese Ereignisse stattgefunden haben mussten, als er so ungefähr zehn Jahre alt gewesen war, also Ende der Zwanziger. Fast ein halbes Jahrhundert hatte das »loukku« also seine aufrechte Stellung beibehalten und auf seine Beute gewartet.
     

30
     
    Hier hätte ich mit Papa laufen sollen, dachte Therese. Sie joggte in lockerem Takt den Djurgårdsbrunnskanal nach dem 40-Minuten-Schema entlang. Zuerst aufwärmen, dann steigern bis zum Trommeltempo, anschließend heftige Intervalle, bis der Blutgeschmack kam, und zum Schluss das Tempo senken, damit der Körper sich wieder zurechtfand. Die Waden federten angenehm in den Schuhen mit der neuen, die Steifheit regulierenden Elektronik. Im Herbst

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